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Herzlich Willkommen

Frühlingsgeschichten neuzeitlicher Autoren

Frühlingsgeschichten neuzeitlicher Autoren für Jung und Alt - 
Besinnliche und heitere Geschichten zur Jahreszeit Frühling.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Autoren, die mir die Erlaubnis zur Veröffentlichung ihrer Geschichten erteilt haben.

Zweig mit rosafarbenen Blüten
Foto: Uschi Dreiucker / pixelio.de

Bitte beachten:
Das Copyright der Texte liegt bei den jeweiligen Autoren!

Geschichten zur Frühlingszeit von A - Z

Alles muss raus
von Antje Steffen

Aprilwetterlaunen
von Elke Bräunling

Die mutige Blaumeise
von Barbara Pronnet

Erstes Erwachen
von Christina Telker

Froh zu sein bedarf es wenig
von Elke Bräunling

Frühjahrsputz
von Barbara Acksteiner

Frühling
von Ingeborg Reichel

Frühlings-Erwachen
von Ingeborg Reichel

Frühlingserwachen ist was Wunderbares
von Harald Goerke

Frühlingsfreude
von Elke Bräunling

Im Garten
von Antje Steffen

Luise im Glück
von Antje Steffen

Nektar für die Bienen
von Elke Bräunling

Schneeglöckchen Nummer 15
von Barbara Acksteiner

Tumult im Blumenkasten
von Ingeborg Reichel

Barbara Acksteiner
Frühjahrsputz

Endlich Frühling!
Letzte dreckige, graue Schneereste und etliche Kies- und Splittsteinchen liegen zwar noch auf den Gehwegen und Fahrbahnen, aber es wird nicht mehr lange dauern, dann werden diese schmuddeligen Winterüberreste zu guter Letzt – wie jedes Jahr – der Vergangenheit angehören.

Sehnsuchtsvoll blicke ich jeden Tag zum Himmel und freue mich wie eine kleine Schneekönigin, wenn sich die Sonne immer öfter und länger blicken lässt. Ich bin froh darüber, dass unsere heimischen Vögel so nach und nach aus ihrem Winterquartier zurückkehren und bei uns im Garten wieder ihren Einzug halten. Mit ihrem fröhlichen Gezwitscher und mit ihren wunderschönen Gesängen wecken sie mich nun des Morgens und gleichzeitig begrüßen sie auf diese Weise den Frühling.

Gutgelaunt und voller Energie springe ich aus den Federn.
Trotzdem macht sich zeitgleich eine Frühjahrsmüdigkeit in mir breit. Gegen diese kämpfe ich zwar Tag für Tag an, doch ärgere ich mich jedes Mal, wenn die Faulheit letztendlich siegt.
Diese verdammte Trägheit ist es auch, die mich stinksauer macht, denn …
Wenn ich mich zu Beginn des Frühlings nackig im Spiegel betrachte, stelle ich zu meinem blanken Entsetzen fest, dass ich viel zu viel wärmenden Winterspeck auf den Hüften habe. Und nicht nur da! Die Jeans, die ich so gerne trage, kneift und zwickt überall und bei meiner Lieblingsfrühjahrsbluse spannen die Knöpfe – nun sogar über dem Busen. Und das will was heißen!
 

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Selbst die Waden sind unförmig geworden und mein Gesicht gleicht dem eines Puffers. Es sieht kugelrund und wohlgenährt aus.
Ich schreie vor Wut und ertappe mich dabei, dass ich mir bei diesem drallen Anblick wünschte, ich wäre Schnee!
Dann würde ich mich für ein paar Stunden in die Sonne stellen und schon wären die Kilos weggeschmolzen.
Mein Spiegelbild zeigt mir hinterher einen straffen Po, meine Taille ist erkennbar da, mein Gesicht sieht nicht mehr aus wie das eines Vollmondes, meine Waden sind wieder Waden und sehen nicht mehr aus wie die Gurken aus einem Fass.
Ach, wäre das schön! Aber so einfach geht das Wegschmelzen des Winterspecks nicht.

Stattdessen muss ich meine leckeren Süßigkeiten, die köstlichen Sahnetorten und die wohlschmeckenden Cappuccinos rigoros von meinem Genießer-Plan streichen.
Allein der Gedanke daran verursacht mir, meinem Magen und Gaumen großes Missfallen.
Aber, was sein muss, muss sein!
Schließlich soll der alljährliche Frühjahrsputz nicht nur in den eigenen vier Wänden stattfinden! Es ist auch eine unaufschiebbare
Frühjahrsputz-Generalüberholung an meinem dickwanstigen Körper erforderlich.
Nur – … was kann ich tun, damit das Fettvernichtungsprogramm richtig greift und die angefutterten Pfunde tatsächlich purzeln?
Grübeln ist angesagt.

Ich hab‘s!
Schon am nächsten Morgen setze ich mein Vorhaben in die Tat um.
Nachdem mich die Vögelchen mit ihrem lieblichen Frühlingsgezwitscher geweckt haben, stehe ich auf.
Zum Frühstück gönne ich mir ungesüßten Tee und esse dazu eine Scheibe Vollkornbrot, bestrichen mit etwas Butter und wenig Marmelade. Schmeckt sogar.

Nachdem ich den Haushalt auf Vordermann gebracht habe, begebe ich mich in den Garten.
Hier wartet eine Menge Arbeit.
Ich werde alle Hände voll zu tun haben.
Oh weh, mein armer Rücken.
Da habe ich mir aber so einiges vorgenommen!
Alles, was winterfest gemacht wurde, muss wieder entfernt werden.
Dann sind da die vielen Büsche, Sträucher und Blümchen, die einen Frühjahrsputz brauchen. Schließlich soll sich im Lenz alles von der besten Seite präsentieren.
Ich kann’s kaum fassen, die Gartenarbeit macht Spaß.
Jeden Tag entdecke ich neue, kleine grüne Triebe, erste blühende Blümchen und ich spüre, dass meinem Körper die Bewegung gut tut.

Inzwischen ist einige Zeit vergangen.
Die dunkle Jahreszeit ist vorbei.
Mit jedem Tag nimmt derzeit die Sonne an Kraft zu, die Tage werden länger und der Frühling ist jetzt vollends und mit all seiner Schönheit da.
Tagtäglich grünt und blüht es schöner im Garten.
Die Menschen strahlen mit der Sonne um die Wette.
Die Vögel suchen eifrig nach Nistmaterial.
Mensch und Tier empfinden das Leben doppelt lebenswert.
Allen gefällt der Frühling, auch mir.

Meine aktiven und schweißtreibenden Gartentätigkeiten sind nicht erfolglos geblieben.
Nachdem ich erneut Nackedei gespielt habe, kann ich zu meiner großen Freude berichten, dass ich wieder eine Taille habe.
Alles andere soll mein Geheimnis bleiben.
Nur so viel noch!
Die Frühjahrsjeans und meine Lieblingsbluse passen mir wieder und mein Gesicht ist kein Puffer mehr.
Inzwischen kann ich mich sogar bücken, ohne Angst zu haben, vornüber zu kippen.
Außerdem kann ich jetzt mühelos den Rasen mähen, ohne dass ich bei jeder Rasenmäher-Kehrt-Wendung eine Verschnaufpause einlegen muss.
Selbst die alte Holzleiter kann ich wieder benutzen, ohne dass die Sprossen beim Hinaufklettern gefährlich zu knacken beginnen.
Und da ist noch etwas.
„Gut, dass ich doch kein Schneemann bin!“, schmunzle ich insgeheim, „denn dann wäre ich unwiederbringlich weg und hätte euch das alles gar nicht erzählen können.“

So freue ich mich – wie jedes Jahr – auf die Frühlingszeit, mit allem, was dazugehört. Auf Sonne, Regen, Wind, Vogelgezwitscher, sprießendes Grün, blühende Blümchen, freundliche Menschen und auf meinen stets wiederkehrenden …
Frühjahrsputz!


© Barbara Acksteiner (2011)

Erschienen in den Büchern:

- Frühling im Herzen, Band 1 / Elbverlag im März 2012 - Hrsg. Marie Rossi / ISBN 978-3-941127-15-9

- Frühling für Fortgeschrittene / Reclam Verlag im Februar 2017 - Hrsg. Stephan Koranyi und Gabriele Seifert / ISBN 978-3-15-011089-8

 

*mit freundlicher Genehmigung von Barbara Acksteiner


Elke Bräunling
Froh zu sein bedarf es wenig

Nach vielen Schnee- und Regenwochen war Oma Erdmann in diesem Frühjahr zum ersten Mal wieder in ihrem Garten unterwegs. Vorsichtig stapfte sie in ihren rot-weiß-gepunkteten Gummistiefeln über den matschigen Boden zur Wiese hinüber. Nass war es auch hier. Ihre Füße sanken tief ein in das wintergraue Gras und jeder Schritt hinterließ jenes schmatzende Geräusch, das sie an ihre Kindheit erinnerte. Was für einen Spaß hatte es damals gemacht, über regennasse Wiesen zu stampfen und Fußspuren ins Gras zu malen!
„Es macht auch heute noch Spaß“, sagte Oma Erdmann nun und ein bisschen wunderte sie sich. Aber wirklich nur ein bisschen. Dann stampfte sie noch etwas fester auf und lauschte dem Schmatzen ihrer Schritte, das nun auch etwas lauter wurde.
Und weil ihr diese Erinnerung, die die Zeiten überlebt hatte und heute noch genau so lebendig war wie damals, so viel Freude bereitete, sang sie beseelt ein Liedchen vor sich hin:
„Froh zu sein, bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein König.“

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Ja, sie war sehr gut gelaunt heute. Warum auch nicht? Der Frühling hielt Einzug, die Wolken hatten sich endlich verabschiedet und die ersten Sonnenstrahlen wärmten schon ein bisschen.
„Es gibt wirklich keinen Grund, nicht froh zu sein“, murmelte sie und sang weiter.
Singen machte Freude. Und lautes Singen noch mehr. Warum auch nicht? An einem Nachmittag mitten in der Woche war niemand sonst in den Gärten unterwegs und so konnte man sich ungestört fühlen – und auch niemanden belästigen.
„Und wenn doch“, murmelte Oma Erdmann. „So ist es mir gerade auch egal. Wer ein Gutelauneliedchen nicht verträgt, verdient auch meine Freude nicht.“
Singend stapfte sie weiter durch den Garten. Einen kleinen Frühlingsboten hätte sie gerne gefunden. Ein Schneeglöckchen, eine Krokusblüte, ein Marienkäfer oder die erste Biene?
Während sie noch suchend über den schweren Boden tappte, war ihr, als hörte sie neben dem Geräusch ihrer Schritte auf nasser Erde eine Stimme, die ihr Lied sang. Es war eine männliche Stimme.
„Froh zu sein, bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein König.“
Oma Erdmann lauschte der fremden Stimme. Sie kam aus dem verwilderten Garten, der sich an die Rückseite ihres Gemüsegartens anschloss. Das Haus, das zu dem Garten gehörte, war lange leer gestanden und sollte verkauft werden. Ob es schon einen neuen Eigentümer gefunden hatte? Womöglich ein Gartenfreund, der gerne Lieder sang?
Oma Erdmann lächelte. Dann stapfte sie weiter über die aufgeweichten Böden zum hinteren Gartenzaun. Ein helles Gelb leuchtete ihr entgegen. Krokusse. Die ersten Frühlingsboten. Ein Zeichen?
Oma Erdmann sang ihr Liedchen noch einmal, und ihr Herz klopfte ein wenig schneller,als die Töne auch dieses Mal wieder vom Nachbargarten zu ihr zurück hallten. In der zweiten Stimme nun.
Wie wundervoll er doch begann, dieser neue Frühling.

© Elke Bräunling

*mit freundlicher Genehmigung der Autorin Elke Bräunling - zur Autorenseite

Harald Goerke
Frühlingserwachen ist was Wunderbares

Frühlingserwachen ist was Wunderbares und sehr Schönes.
Morgens treffen durch das Fenster die ersten wärmenden Sonnenstrahlen das Gesicht und der ruhende Körper sowie der Geist wird sanft aus dem Schlaf geweckt.
Der höchste Genuss ist dann, durch das geöffnete Fenster endlich das fröhliche Gezwitscher der Vögel zu genießen.
Seit ein paar Tagen allerdings registrieren meine empfindlichen Ohren ein merkwürdiges Gezwitscher, das mich sofort abrupt und kerzengrade in die Höhe schnellen lässt.

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Wie ein Peitschen wird die morgendliche, jungfräuliche Luft durchschnitten.
Heute war ich’s leid und sprang aus dem Bett und betrat den Balkon um das vorlaute, merkwürdige Federvieh zu erspähen.
Meine Enttäuschung war riesengroß. 
Da stand doch mein Nachbar Hubertchen im Garten vor seinem Teich und übte mit einer Pfeife Vogelstimmen.
Es gibt schon seltsame Vögel unter den Menschen.
Eingestehen muss ich mir aber trotzdem: Frühlingserwachen ist was Wunderbares.

© Harald Goerke

*Aus seiner Anthologie: 60 wunderbare Geschichten aus 60 wunderbaren Jahren

*mit freundlicher Genehmigung des Autoren Harald Goerke

Barbara Pronnet
Die mutige Blaumeise

In einem Garten einer Kleinstadt standen herrliche Büsche und Tannenbäume. Im Frühling wenn die jungen Blätter wie ein grünes Kleid die Äste zieren, die Luft nach Blüten und Blumen duftete, dann sind auch die Zugvögel wieder im Land und in den Bäumen und Büschen herrscht aufgeregtes Leben.

Ein Zwitschern, Trillern und Jubilieren schallt dann durch die Luft und die kleinen gefiederten Sänger scheinen sich gegenseitig mit ihren Liedern übertrumpfen zu wollen.

Welch eine Farbenpracht war da zu sehen im dem kleinen Garten, das „zi-zi-be“ der Meisen, „twit twit twit“ des Kleibers. Prächtige Finken tummelten sich im Geäst und veranstalteten einen Radau der fast an Lärmbelästigung grenzte.

Die Besitzer des Gartens fanden es aber wunderbar und lauschten bei geöffneter Terrassentür dem täglichen Konzert.

Nun ja es war eben Brautschau angesagt, sich kennen und schnäbeln lernen, ein Nest bauen und Junge aufziehen, ein anstrengendes Vorhaben besonders für die männlichen Vögel, wussten sie doch das nur mit kraftstrotzender Ausdauer ein weibliches Vogelherz zu gewinnen war, ein herrliches Gefieder und ein robuster Gesundheitszustand war ebenso wichtig um eine Dame zu erobern.

Ein kleiner aber sehr kräftiger Blaumeisenmann zwitscherte was das Zeug hält. Seine kleine Brust bebte bei jedem Schrei. „Tsi Tsi Tsi“

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Er war aber auch wirklich ein Prachtkerl, seine kleinen Augen funkelten und sein Scheitel hatte einen besonders schönen Blauton. Sein Gefieder glänzte in der Morgensonne und er könnte Äste ausreißen so energisch war er. Ein Angeber war er, sagten die anderen, erzählte ständig wie mutig er war, die Katze im Nachbarsgarten hatte er verscheucht in dem er sie attackiert hatte als wäre er eine große Elster, die Regenwürmer würde er seinen Konkurrenten aus dem Schnabel stehlen und beim größten Gewittersturm saß er oben auf der Tannenspitze und trotzte den Elementen.

Und jetzt will er natürlich die hübscheste Blaumeisendame heiraten. Eine hat er sich schon auserkoren, ein niedliches Ding, schlank und pfiffig, gesund sah sie aus und nicht uninteressiert. Sie hatte gestern zwar gelangweilt an ihrem Insekt gezupft als er vorbei flog aber sie hörte seinem Balzgesang zu und als er seine Geschichte von der Katze dem Kleiberpärchen und Dompaffmännchen erzählte hat sie ganz aufmerksam zugehört.

Ein bisschen würde er sie noch zappeln lassen aber dann wenn er ihr genug seine Männlichkeit präsentiert hatte würde er sie auf ein Treff in dem Vögelhäuschen das in dem kleinen Garten stand einladen. Die Besitzer waren so freundlich und streuten das ganze Jahr Futter hinein und der kleine Blaumeisenmann fand diesen Treffpunkt passend. Das sie ihn ablehnen könnte auf diese Idee kam er nicht, alle anderen Kerle sind doch Schwächlinge und sahen nur halb so gut aus wie er.

Es hätte wohl alles so einfach werden können wenn unser kleiner Aufschneider seinen Schnabel nicht ganz so weit aufgerissen hätte.

Eines Morgens, die Luft roch frisch und nach Frühsommer trällerten mal wieder alle um die Wette. Die Buchfinken hüpften auf der Erde nach Nahrung, eine müde Amsel saß im Vogelhaus und döste vor sich hin, die Kohlmeisen spielten frech miteinander.

Mittendrin im Busch erzählte unser Blaumeisenmann wieder einem jungen Zaunkönig das er grundsätzlich nur die fettesten Regenwürmer seiner Brut liefern würde, schließlich sollen die Kinder kräftig und gesund heranwachsen, er kenne da seine Stellen, natürlich nicht ungefährlich weil eine Katze und ein Hund dort lebten aber ihm mache das nichts aus, für die Familie natürlich nur das beste. Er plusterte sich auf, wohl wissend dass seine Auserkorene mit ihren Freundinnen in der Tanne daneben saß und gründliche Federpflege betrieb.

Einer der Buchfinken piff von unten hoch. „ Ja ja ist gut, wir wissen schon das du ein Kraftprotz bist“. Die Kohlmeisen glucksten zustimmend. „Unser Held kann es einfach nicht lassen mit seinen Geschichten“ trillerte ein zartes Rotkelchen und wippte mit ihrem Körper auf und ab.

„Nur kein Neid meine Lieben, ich bin eben so, von Natur aus versteht sich“ Der kleine Blaumeisenmann zitterte mit seinen Flügeln und zwar so das seine Angebetete sein Werberitual auch bemerkte.

„Wenn du schon so ein Held bist warum zeigst du uns dann nicht einer deiner Heldentaten, bis jetzt haben wir davon ja nur gehört“. Ein anderer Blaumeisenmann flog auf die Spitze des Vogelhäuschens so dass ihn jeder sehen konnte. Er war nicht hässlich, ein bisschen blass das Gefieder aber er sah jung und stark aus.

Wo kam der denn jetzt her? Das fehlte gerade noch das kurz vor der Erhörung der Liebsten ein Rivale auftauchte.

„Findet ihr nicht auch dass er seinen Mut beweisen sollte? Wie wär es denn mit einer Mutprobe du Klugscheisser“.

Jetzt wurde es still um das Vogelhäuschen. Alle richteten ihre Blicke zu unserem kleinen Sprücheklopfer. Auch sein Blaumeisenmädchen schaute interessiert auf ihn. So ein Mist, jetzt musste er das richtige sagen sonst war er unten durch und konnte sich gleich eine neue Balzstelle suchen.

„Wenn dir das so wichtig ist bitte? Vielleicht lernst du dann was“ sagt er verwegen aber sein kleines Vogelherz schlug schwer in seiner Brust. Hoffentlich kam nicht die Katze ins Spiel, denn ehrlich unter uns gesagt, stimmte das nicht so genau, er hatte nur ein bisschen angeben wollen, was ist schon dabei, die Katze hat ihn eigentlich gar nicht bemerkt.

„Also gut, ich weiss wie du uns dein Heldentum beweisen kannst und solltest du das wirklich schaffen dann Feder ab vor unserem Meisterhelden“ schrie der Rivale das es auch alle anderen hörten.

„Was soll er denn machen?“ fragte ein Kleibermann. Mit seiner schwarzen Zorromaske um die Augen sah er gefährlich aus, kopfüber saß er auf einem Ast und verfolgte die Situation interessiert.

Die Neugierde hatte jetzt aber wohl alle gepackt denn plötzlich kamen wie aus heiterem Himmel eine Horde Grünfinken und Tannenmeisen dazu. Umringt von Vogelscharen plusterte sich der Blaumeisenmann auf dem Vogelhäuschen auf.

„Morgen früh werden wir uns hier versammeln, genau zu der Zeit wenn unsere Menschen hier in dem Haus wach werden, ziemlich genau wenn wir gezwitschert haben geht die Terrassentüre auf. Genau dann fliegst du in das Haus, setzt dich auf den Stuhl der gleich in der Ecke steht und machst einen Klecks auf den Boden. Dann bleibst du noch etwas sitzen und fliegst wieder raus. Na wie ist es, ein Kinderspiel für einen wie dich oder?“ Völlig entsetzt hörte sich die Vögelschar die Mutprobe an und dann war das Gezwitscher groß. „Viel zu gefährlich“ piepste das Rotkelchen. „Unmöglich, zu riskant“ schmetterte der Zaunkönig. Die anderen Blaumeisen keckten untereinander.

Der blau schillernde Kopf unseres Blaumeisenmanns wurde blass, mit allem hatte er gerechnet aber das war schlimmer als seine eigene großspurige Phantasie. Mit Menschen wollte er nichts zu tun haben, sie taten ihm nichts aber nur weil er sich auf Abstand hielt: Sie halten sich Katzen, das muss man sich mal vorstellen.

Sicher das Vogelhäuschen, eine nette Geste, besonders im Winter, aber konnte man deswegen vertrauen? Das war nicht machbar, er war entlarvt als Feigling, er musste ablehnen, aufgeben, das Revier verlassen. Verstohlen äugte er zu seiner Verehrten und da sah er ihren Blick. Sie schaute ihn an, liebevoll, ermutigend, ich vertraue dir, sagte dieser Blick.

Sie war aber auch entzückend, ein Prachtmädel. Er holte tief Luft und verfluchte sich gleichzeitig.

„Gut, ich mache es. Morgen wie besprochen“ und flog eilig davon.

Die aufgeregten und besorgten Nachrufe konnte er noch hören als er schon ganz oben auf einer Tannenspitze  auf seinem Ast gelandet ist.

Sein Freund, eine ältere und weise Blaumeise flog ihm nach. „Bist du von dem Uhu gepackt worden? Das ist dein Todesurteil, das ist das Unheil herausfordern. Du weißt doch gar nicht was hinter diesen Mauern vor sich geht. Du wirst zerquetscht, getötet werden. Gib auf, sei schlau wie die Elster.“

„Ich kann nicht, es ist zu spät. Ich bin selber schuld mit meiner Angeberei, ich habe es mir selbst eingebrockt. Und es geht um mein Glück, ich bin verliebt und muss es beweisen.“

„Du hättest ihr deine Liebe auch durch deinen Gesang zeigen können, wenn sie dich liebt wäre es ihr genug.“ Sein Freund flog in die Luft und ließ ihn allein.

Es wurde eine grauenvolle Nacht für unseren kleinen Helden. Er tat kein Auge zu, die Nacht war klar und die Sterne funkelten am Himmel. Wunderschön sah das aus aber er sah es nicht, war im Gedanken bei der wahninnigen Tat die ihm bevorstand.

Morgen bin ich tot, dachte er, ich werde den Sommer nicht mehr miterleben, keine Liebe spüren, keine Kinder großziehen, ihnen keine Insekten in ihre kleinen hungrigen Schnäbel stecken die er zusammen mit seiner Liebsten unermüdlich sammeln würde. Sie nimmt sich seinem Rivalen und gründet mit ihm eine Familie. Das war’s. Aus. Traurig schloss er seine kleinen Augen und zitterte den morgigen Tag entgegen.

Der war ein herrlicher, windiger Tag mit warmen Sonnenstrahlen die den kleinen Garten in ein mildes Licht tauchten. Die Gesänge der Vögel in den Büschen und Bäumen kam einem Konzert nahe und alles war so harmlos und friedlich. Der kleine Blaumeisenmann hatte nur mit Mühe ein kleines Insekt gefrühstückt, alles andere wäre ihm nur im Halse stecken geblieben. Und pünktlich nach dem Fressen, Gefiederputzen und Gesang versammelte sich die gesamte Vogelschar um das Futterhäuschen, oben drauf wartete bereits der Rivale. Der hatte sicher gut geschlafen, voller Vorfreude auf sein Liebesglück. Die Schöne selbst saß auf einem Tannenzweig. Sie war ganz ruhig, sah aber besorgt aus. Sie hatte auch schlecht geschlafen, wollte etwas zwitschern zu ihrem Verehrer aber sie traute sich nicht. Fühlte sich irgendwie mitschuldig, typisch Meisenfrau eben.

„Ist das nicht ein wunderbarer Morgen? Seht nur, wie ich es gesagt habe, die Terrassentüre ist bereits geöffnet worden.“ Der Rivale nickte zu dem Haus und tatsächlich sie stand bereits offen, wie ein Höllentor lud sie zum letzten Flug ins Verderben ein. Alle Blicke richteten sich auf unseren kleinen Vogel der nur noch die Tür zum ewigen Jenseits sah. Das laute Pumpern seines kleinen Herzens konnten sie nicht hören, diese Schaulustigen auf seinem Weg zum Schafott.

Er holte tief Luft und flog los, nicht kneifen, einfach machen, jetzt war es zu allem Denken und Diskutieren zu spät. Er legte die Flügel an seinen Körper und schoss durch die Fenstertüre direkt zu dem Stuhl in der Ecke und ließ sich flatternd nieder.

Gehetzt schaute er sich um. Ruhig war es in dem hellen Raum. Nichts bewegte sich, er hörte nur von oben ein leises Summen. Das gleichmäßige Ticken einer Uhr. Nirgendwo eine Katze oder Hund. Noch lebe ich dachte er schnell, jetzt noch den Klecks und dann raus hier. Aber komisch, das was sonst ständig funktionierte, wollte nicht klappen. Sein kleines Hinterteil war wie gelähmt, er konnte einfach nicht, hatte nicht viel gefressen, vielleicht lag es daran, so ein Mist. Doch dann wie von selbst platschte der erhoffte Klecks auf den Boden. Ein Geschenk des Himmels. Er sah durch das Fensterglas die gesamte Vogelbrut sitzen, wie sie sich die Hälse verrenkten und die Augen aufrissen, entsetzt, neugierig, gehässig, scheu. So, jetzt nichts wie raus hier. Seine Mission war erfüllt.

Er wollte gerade los fliegen als er von oben eine Türe hörte und weil es ein windiger Tag war und es wahrscheinlich im Haus zog knallte die Terrassentür wie von Geisterhand in sekundenschnelle zu. Panisch und völlig kopflos flog der kleine Blaumeisenmann zu der geschlossenen Fensterfront und schlug mit seinem Kopf an das unsichtbare Nichts.

Draußen herrschte jetzt die volle Aufregung. Was war passiert? Warum kam er nicht raus? Um Himmels Willen das wollte doch keiner, nicht mal der Rivale. Besorgt schaute er auf seinen Artgenossen hinter der Glastüre der bewegungslos auf dem Boden lag. Es kam aber noch schlimmer denn die Hausherrin die im ersten Stock des Hauses den Luftzug verursacht hatte kam die Treppe herunter und sah den kleinen Vogel  regungslos liegen.

Jetzt ist es aus mit ihm, dachten alle seine gefiederten Kollegen.

Vorsichtig hob die Frau die kleine Blaumeise hoch. „Na du kleiner Piepmatz, hast du dich verflogen?“ Langsam kam unser kleiner Vogel wieder zu sich, die warme hohle Hand die ihn zärtlich hielt spürte er als erstes: Benommen blickte er hoch und wollte gleich vor Angst sterben.

 „Na dein Herz schlägt ja wie eine Trommel, ist doch nicht so schlimm, du bist wohl an die Scheibe geknallt?“ Zart strich sie über sein Gefieder und irgendwie meinte der Blaumeisenmann, wenn das der Tod ist dann werd ich das überleben. Er entspannte sich etwas und das Brummen in seinem kleinen Schädel ließ langsam nach. „Ich denke du kannst jetzt wieder in die Sonne, kleiner Freund“ Die Frau öffnete die Terrassentüre. Das ließ er sich nicht zweimal sagen, denn wenn dieser nette Mensch den Klecks am Boden sah überlegte er es sich vielleicht noch mal. Ihre warme Hand gab ihn frei und er flog wie Phönix aus der Asche in die ersehnte Freiheit.

Das war ein Empfang, ein Gekreische, Flügelschlagen, Kopfnicken und Schnäbeln. Der Held kam zurück, er hatte es geschafft, hatte die größte Mutprobe bestanden, er war kein unreifer Angeber sondern ein mutiger Kerl mit Lebenserfahrung. Der Rivale nickte ihm anerkennend zu und flog davon, für ihn gab es hier nichts mehr zu holen. Sein weiser Freund hüpfte auf ihn zu und steckte ihm eine frische Fliege in den Schnabel. „Hier mein Freund, das wird dir gut tun.“ „Danke“ sagte unser Held dankbar.

Er war noch zu aufgeregt und ließ stumm die Lobeshymnen über sich ergehen. Erschöpft saß er auf dem Dach des Futterhäuschens und genoss den Beifall. Wo war sie? Unter der ganzen Horde gefiederter Wilden konnte er sie nicht sehen. Sie war da, ganz hinter der Masse saß sie und beruhigte sich nur langsam. Sie hatte solche Angst um ihn gehabt, war sie doch schon lange verliebt in ihren Aufschneider. Wollte ihn noch zappeln lassen bevor sie ja sagte.

Die weise Blaumeise wies alle zurecht, spürte was jetzt kommen würde. „Kommt wir haben alle noch zu tun, lassen wir unserem Mutigen etwas Ruhe.“ Die bunte Vogelschar flog nacheinander in ihre Büsche und Bäume nicht ohne noch mal ein lautes Jubelrufen loszulassen. Was für ein denkwürdiger Tag.

Der Held und seine Angebetete blieben natürlich zurück. Langsam näherte sich die Schöne ihrem Prinzen. „Du hast es wirklich gewagt und überstanden. Ich gratuliere dir. Aber bist du auch so leichtsinnig mit deiner Familie?“ zirpte sie leise.

Unser Blaumeisenmann sah ihr fest in die Augen. „Nein, das dumme Gerede hat ein Ende und auch Mutproben müssen in Zukunft ohne mich auskommen. Ich will ein Nest bauen und mich um meine Familie kümmern. Mir fehlt nur noch die Richtige dazu.“ Seine kleinen Flügel zitterten geschmeidig vor ihren Augen auf und ab. „Wenn du mich noch willst?“ fragte er vorsichtig, so bescheiden wie nie.

„Ich hätte dich auch ohne deine Mutprobe genommen, du Wichtigtuer denn ich weiss das du das Herz am richtigen Fleck hast und mich und unsere Brut beschützen wirst. Was will ich mehr?“ rief sie fröhlich und als sie das zwitscherte, hüpfte er auf sie zu und sie schnäbelten wie wild.

Später als die Sonne hoch am Himmel strahlte flogen sie dicht beieinander durch die warme Luft und freuten sich ihres Lebens.

Ich habe es überstanden und meine Liebste bekommen, freute sich unsere kleine Meise und er wusste aber auch dass man ohne Heldentaten und Aufschneidereien sein Glück finden konnte. Aber ein bisschen Angeben zwischendurch ist auch schön, dachte er stolz, denn es hat ihm gezeigt dass er wirklich mutig war.

(c) Barbara Pronnet

*Mit freundlicher Genehmigung der Autorin Barbara Pronnet - zu ihrer Internetseite

Ingeborg Reichel
Frühlings-Erwachen

Schneeregen, Graupel und  Sturmböen lieferten sich mit Hitze und Gewittern einen wochenlangen harten Kampf. Schließlich siegte das Gesetz der Natur und der Winter musste dem Lenz weichen.

Etwas verloren stand die Frau auf dem kleinen Steg am Ufer des Sees, der malerisch in dem großen Park lag. Auf der verwitterten Bank saß ein älteres Paar, sie hielten ihre Gesichter der wärmenden Frühlingssonne entgegen.

Sie seufzte, fühlte sich grenzenlos allein, vermochte sich noch nicht erfreuen an dem zarten Grün an Bäumen, Sträuchern und Pflanzen.

Nur langsam räumte sie der Realität, dass sie seit einigen Monaten Witwe war, einen Platz in ihrem Leben ein.

Die ersten vorwitzigen Blüten von Hyazinthen, Narzissen und Osterglocken verliehen dem Park den unverwechselbaren Reiz, strömten Zuversicht aus, dass sie es schließlich geschafft hatten. Sie legten eine Unverwegenheit an den Tag – schienen zu rufen: “Das schaffst auch du!“

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Eine Vielzahl verschiedener Singvögel nisten in den Baumkronen und Büschen.

Ihr vielstimmiger Chor schwebte wie eine Klagwolke  in der Luft.

Bienen summten, ein zarter Schmetterling flog vorüber.

Dagegen kam ihr das Gekrächze der dicken Krähen auf den Ahornbäumen vor wie der Schrei verlorener Seelen.

Entenpärchen fanden sich zusammen, zogen ihre Bahn und lange Wasserfurchen malten Muster auf den See.

Sonnenstrahlen fielen wie helle Lichtbahnen durchs klare Wasser,

Algen wehten am Rande wie zarte, grüne Schleier hin und her.

Die milde Luft, die so untrennbar zu Frühlingstagen gehörte, zog sie in ihren Bann und schmeichelte ihrer Nase.

Der Schmerz hatte sich so langsam - wie der Winter - zurückgezogen, Wehmut streichelte zart ihre Seele.

Ihr Blick verlor sich in der Tiefe des Himmels, sein Blau umhüllte sie förmlich.

Ein Greifvogel zog hoch oben seine Kreise, flog dann in die Ferne.

Ihr war, als winke er ihr zu.

Tief sog sie die Frische ein – ja - sie wollte es wieder schmecken –

das Leben.

(c) Ingeborg Reichel

*mit freundlicher Genehmigung der Autorin Ingeborg Reichel

Antje Steffen
Alles muss raus

Endlich wird es wieder warm. Da müssen die Wintersachen weichen. Karin macht sich an die Arbeit. Schränke aufräumen ist angesagt. Bei ihrem Schrank fällt das nicht schwer. Die dicken Jacken und Pullover kommen in die Wäsche und verschwinden ganz hinten. Die braucht keiner mehr. Der Check der dünnen Sachen ergibt, dass alles vorhanden ist, was gebraucht wird. Karin ist froh, dass sie nicht mehr wächst. Zum Glück nicht einmal in die Breite.

Da sieht es bei den Kindern bestimmt anders aus. Wie kann es sein, dass die so schnell wachsen. Bestimmt passen die dünnen Jacken vom letzten Jahr nicht mehr. Karin beschließt, mit dem Schrank ihrer Tochter anzufangen. Sie geht zu Clara.

“Komm bitte mit, wir müssen deinen Schrank aufräumen. Ich glaube, du solltest ein paar Klamotten anprobieren.”

Clara lässt sich nicht lange bitten. Sie beschäftigt sich gerne mit solchen Dingen. Allerdings ist Karin nicht sicher, ob die Sache so einfach wird. Als erstes werden alle Sachen aus dem Schrank genommen und auf dem Fußboden verteilt. Die dicken Jacken und Pullover werden gleich beiseite gepackt. Alles andere muss geprüft werden. Clara sitzt mitten im Kleiderhaufen und nimmt nach und nach alles raus. Plötzlich entdeckt sie ihr Lieblingsshirt. Das hat sie schon zwei Jahre und Karin weiß, dass es im letzten Jahr bereits knapp war.

“Guck mal, Mama, mein Blumenshirt.”

Clara ist begeistert, weil sie es gefunden hat. Karin macht ein skeptisches Gesicht.

“Ach, Clara, ich weiß nicht, ob das noch passt. Probier bitte mal.”

Voller Tatendrang nimmt Clara das Hemd und will es anziehen. Es dauert nicht lange und sie steckt fest. Karin eilt ihrer Tochter zu Hilfe.

“Ich fürchte, wir müssen es aussortieren.”

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Sofort zieht Clara einen Flunsch und Karin kann sehen, wie sich die Augen ihrer Tochter mit Tränen füllen. Hier muss schnell eine Lösung gefunden werden, sonst endet das Schrankaufräumen in einem Drama. Karin überlegt fieberhaft. Da hat sie eine Idee.

“Wie wäre es, wenn du Lilly holst. Vielleicht kann sie das Shirt von dir erben.”

Lilly ist Claras Lieblingsteddy. Er ist ziemlich groß und Clara liebt ihn über alles. Einen Moment sieht es so aus, als ob Clara dagegen ist. Aber dann läuft sie los und holt Lilly. Und Karin hat Glück, der Teddy passt perfekt in das Hemdchen. Clara strahlt und wirbelt zufrieden mit Lilly durch den Raum. Erleichtert atmet Karin aus. Wie gut, dass ihr der Teddy eingefallen ist. Jetzt kann es weitergehen. Noch einmal wird es kritisch, als Claras Lieblingsjeans an der Reihe ist. Karin guckt auf das Größenschild und weiß sofort, die muss weg. Ob dass wieder Tränen gibt? Karin hält die Hose in den Händen und guckt zu ihrer Tochter. Doch was ist das. Clara wirft einen Blick auf die geliebte Jeans und sagt:

“Ach Mama, können wir das olle Ding nicht wegtun. Ich glaube, die ist nicht mehr gut.”

Karin, die mit einer ganz anderen Reaktion gerechnet hatte, zuckt die Schultern und antwortet:

“Klar, ich glaube, die ist sowieso zu klein.”

Da jetzt die Strümpfe sortiert werden müssen, entlässt Karin ihre Tochter und macht den Rest alleine. Das Einräumen dauert zwar eine Weile, aber wenigstens ist die Gefahr von Tränen und Geschrei gebannt. Puh, geschafft. Alles ist entweder im Schrank oder in den Tüten für die Kleidersammlung. Jetzt erstmal einen Tee, bevor die Sachen ihres Sohnes drankommen.

Nach der Teepause fühlt Karin sich für den Kampf mit Florian gewappnet. Denn das es ein Kampf wird, ist vorauszusehen. Klamotten sortieren ist nichts, dass Florian interessiert. Flo ist in seinem Zimmer und baut mit seinen Legos Figuren und Gebäude. Er ist ein begeisterter Baumeister. Jetzt braucht Karin ihn und das wird ihm nicht gefallen. Sie geht zu ihm.

„Hallo Großer, komm bitte mit mir. Wir müssen kurz checken, ob du neue Sachen zum Anziehen brauchst. Der Winter ist vorbei und aufräumen ist dran.”

Wie erwartet, fängt Florian sofort an zu maulen.

“Ach Mutsch, kannst du das nicht allein? Ich hab’ grad überhaupt keine Zeit und du weißt sowieso am besten, was fehlt.”

“Nein, geht nicht. Ich habe da ein paar Sachen, die musst du anprobieren. Dauert nicht lange und danach kannst du sofort wieder zu deiner Baustelle.”

“Ich kann mich doch kurz an die Latte stellen, dann weißt du wie groß ich bin und kannst aussortieren.”

“Nee, nee, so einfach geht das nicht. Du weißt, dass die Sachen zu unterschiedlich sind. Nun komm, mit Clara bin ich fertig.”

Mit einem Gesichtsausdruck, der deutlich zeigt, dass Flo das Ganze für Zeitverschwendung hält, erhebt er sich und trottet hinter seiner Mutter her. Karin weiß, er wird nicht lange durchhalten, also legt sie gleich los.

“Hier, probier mal die Jacke. Die ist, glaube ich, ein bisschen zu klein.”

Florian nimmt die Jacke, schlüpft halb hinein und gibt sie seiner Mutter wieder.

“Hasst Recht Mutsch.”

Nachdem er zwei Hosen und ein Sweatshirt probieren musste, entlässt Karin ihren Sohn. Der zuckt die Schulter und meint:

“Hättest du doch allein machen können. Wusstest sowieso, dass die Sachen nicht mehr passen.”

Auf die Diskussion lässt Karin sich nicht ein. Sie lächelt nur und sagt nichts. Als Florian gegangen ist, räumt sie seinen Schrank wieder ein und notiert sich, was neu angeschafft werden muss. Das wird heute nichts mehr. Jetzt ist Feierabend. Karin nimmt die Liste und legt sie auf ihren Schreibtisch. Einkaufen ist Morgen dran. Wahrscheinlich wird es wieder Stress geben. Sie kennt das und will sich den Abend nicht damit verderben.

Der nächste Tag ist zum Glück Sonntag. Da kann die Bestellung in Ruhe in Angriff genommen werden. Da Karin und ihre Familie sehr ländlich wohnen, ist Karin froh über die Möglichkeiten des Internets. Hier hat sie im Lauf der Zeit ihre bevorzugten Einkaufsmöglichkeiten entdeckt. Nach dem Frühstück holt Karin zuerst Clara an ihren Schreibtisch.

„Komm, Clara. Wir wollen mal gucken, ob wir nicht ein paar schöne neue Sachen für dich finden.“

Clara ist sofort Feuer und Flame. Einkaufen im Internet bringt ihr viel Spaß. Sie lässt sofort alles stehen und liegen und läuft zu ihrer Mutter. Karin hat den Computer bereits gestartet und los geht’s.

„Als erstes suchen wir eine Jacke. Was meinst du? Welche Farbe soll sie haben?“

Clara runzelt nachdenklich die Stirn. Im letzten Jahr wäre die Antwort bestimmt rosa gewesen, aber aus dieser Phase ist sie rausgewachsen. Es dauert nicht lange, da kommt es ganz bestimmt aus dem Mund ihrer Tochter:

„Ich will eine lila Jacke haben. Meli hat auch so eine. Da ist hinten ein Pferdekopf drauf.“

Karin wackelt mit dem Kopf. Lila ist kein Problem, aber die Sache mit dem Pferdekopf wird wohl schwieriger.

„Mal sehen, was sich da machen lässt, Kleines. Ist der Pferdekopf wichtig?“

„Ach, ganz so wichtig nicht. Aber, wenn möglich, möchte ich ein schönes Bild drauf haben.“

„In Ordnung, lass uns auf die Suche gehen.“

Karin gibt die gewünschten Daten ein und im Nu erscheinen die Angebote. Karin und Clara gucken die Jacken an, die in Frage kommen und plötzlich ruft Clara:

„Guck mal, Mama. Die da, die sieht klasse aus. Die will ich haben!“

Karin schaut sich die Jacke genau an und vertieft sich in die Beschreibung. Das hört sich gut an und lieferbar ist sie zum Glück auch.

„Gut, dann bestell ich die. Was brauchen wir noch? Ach ja, zwei neue Hosen.“

Nach kurzem Suchen werden Mutter und Tochter hier fündig. Die eine Jeans ist genau wie die Jacke lila, die andere klassisch blau. Bei den T-Shirts geht es schnell. Clara hat T-Shirts mit Pferdemotiven entdeckt. Da sie und ihre Freundin Melanie gerade ihre Pferdephase haben, sind diese ideal. Damit ist die Kleiderauswahl für Clara beendet. Als nächstes ist Florian an der Reihe. Clara läuft in ihr Zimmer und freut sich darauf, bald ihre neuen Sachen anprobieren zu können. Karin beendet kurz den ersten Einkauf und geht los, um ihren Sohn ranzuholen.

Florian ist, wie schon am Tag vorher, mit seinen Bauwerken beschäftigt. Als seine Mutter ins Zimmer kommt, blickt er kurz auf, macht aber keine Anstalten, sich von seinen Spielsachen zu trennen.

„Hey, Flo, ich möchte kurz mit dir ein paar Klamotten aussuchen. Kommst du bitte mit zum Computer?“

Flo sieht seine Mutter genervt an. Zuerst brummt er nur, dann äußert er sich zum Wunsch seiner Mutter.

„Nee Mutsch, das kannst du wirklich alleine. Du weißt, was ich immer trage. Da brauch ich echt nicht dabei sein.“

Karin sieht ihren Sohn an und denkt: ‚Wie unterschiedlich die zwei sind. Clara würde nie auf die Idee kommen, mich alleine nach Klamotten gucken zu lassen. Sie lächelt und sagt im Hinausgehen:

„In Ordnung. Ich werde sehen, ob ich etwas finde, von dem ich denke, dass es dir gefällt. Ich möchte aber hinterher keine Klagen darüber hören, wenn die Sachen nicht richtig sind.“

„Bestimmt nicht Mutsch, ich weiß, dass du das gut machst und habe volles Vertrauen in dich.“

Einerseits freut Karin sich zwar darüber, dass Florian ihr zutraut, seinen Kleiderschrank alleine wieder zu bestücken. Andererseits findet sie es auch traurig, dass er nicht mal die Zeit hat, sich mit ihr eine halbe Stunde hinzusetzen, um Klamotten auszusuchen. Nach einem weiteren kurzen Blick auf ihren Sohn, der sie schon überhaupt nicht mehr beachtet, verlässt Karin sein Zimmer und macht sich auf den Weg zum Computer, um ihrem Sohn neue Sachen auszusuchen. Eine halbe Stunde später ist das erledigt und Karin lehnt sich zufrieden zurück. Jetzt kann sie den Sonntag genießen und entspannt abwarten, bis die Sachen geliefert werden. Sie geht in die Küche, um sich einen Tee zu kochen. Dabei gehen ihr ein paar Zeilen durch den Kopf:

 

Frühling, Kinder ist das fein.

Packt die dicken Sachen ein.

Dünne Jacken nehmt heraus.

Es weht ein warmer Wind ums Haus.

Alle sind jetzt gut gelaunt.

Die Blumen werden froh bestaunt.

Die Sonne lacht, es lacht das Herz,

denn es ist endlich, endlich März.

 

© Antje Steffen

*mit freundlicher Genehmigung von Antje Steffen - zu ihrer Internetseite

Christina Telker
Erstes Erwachen

Sinnend schaute die Eule ins Land hinein. „Endlich ist der lange Winter vorüber“, dachte sie bei sich und hielt Ausschau nach dem ersten Mäuschen, das sich verirrte. Im Winter war Schmalhans Küchenmeister gewesen, jetzt freute sie sich auf einen recht fetten Happen. Überall gab es neues Erwachen. Die Frühlingsblumen blühten um die Wette.

Uschi hatte heute ein Körbchen, prall gefüllt mit den ersten Blumen, für die Mutter gepflückt. Glücklich streifte sie durch Wald und Feld. Uschi liebte die Tiere und Pflanzen über alles. Sie nahm sich viel Zeit zum Beobachten. Sie kannte jeden Käfer und jeden Vogel. Dort, ihr Lieblingsbaumstumpf. Hier ruhte sie gerne aus und träumte vor sich hin. Auch heute saß Uschi hier, als sie plötzlich vor sich eine kleine Blüte sah.  Das war nichts Besonderes, denn Uschi war hier überall von Blumen umgeben. Auf dieser Wiese blühte es fast in Fülle. Darum war sie ja so gerne hier. Jede Blüte hatte ihre eigene Geschichte.

Aber was Uschi heute sah, war schon etwas Besonderes. Diese Blüte, die sie gerade beobachtete, öffnete sich ganz behutsam und ihr entstieg eine winzig kleine Elfe. Uschi hielt vor Staunen den Atem an. „Das gibt’s doch nicht“, dachte sie bei sich. Aber die Elfe reckte und streckte sich und schaute sich dabei um. Es dauerte auch nicht lange und ein wunderschöner Schmetterling kam angeflogen.

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Setzte sich auf genau die Blüte, der eben die kleine Elfe entstiegen war und schien sich mit ihr zu unterhalten. Die Elfe stieg auf den Rücken des Schmetterlings und dieser erhob sich in die Lüfte. Wie im Traum stand Uschi auf und lief dem zauberhaften Schmetterling hinterher.  Fröhlich segelte der kleine Papillon über die Wiese, um am Ende auf einer ganz besonders hübschen Blüte zu landen. Uschi war den beiden die ganze Zeit gefolgt. Nun begleitete sie mit den Augen jede Bewegung des Schmetterlings. Die kleine Elfe glitt behutsam vom Rücken des kleinen Falters.  Die kleine blaue Blume schien sehr stolz über diesen Besuch zu sein, denn sie neigte sich, als wolle sie sich vor dem Paar verbeugen. Plötzlich rief eine zarte Stimme, wie im Träume: „Uschi, komm ruhig näher.“

Uschi glaubte nun tatsächlich zu träumen. Das kann doch nicht sein, dachte sie. Aber schon wieder rief die kleine Elfe. Vorsichtig ging Uschi hin, zu der blauen Blume. „Hast du mich gerufen“, fragte sie leise. „Ja, nun wo du uns gesehen hast, sollst du auch auf unserer Hochzeit zu Gast sein. Uschi neigte sich zu den Blumen hinunter um sich die kleine Elfe etwas genauer anzusehen und sich zu bedanken. Die Kleine tanzte vor Seligkeit von Blüte zu Blüte.  Nun begann die Blumenhochzeit. Die Grillen stimmten ihre Instrumente, um zum Tanze aufzuspielen, die Hummeln spielten den Baß dazu. Uschi stand staunend daneben mit offenem Mund. Sie war so überglücklich, soviel Schönheit erleben zu dürfen.

„Du durftest bei uns bleiben und mitfeiern, weil du uns immer beschützt hast. Weil du immer ein offenes Auge und Ohr für die Natur hattest“, erklärte die Elfe. Viele rote Heckenröschen hatten sich zu kleinen Herzen zusammengeschlossen. Mit einem Festmahl aus Sonnentau und Honig, den die Bienen als Geschenk brachten, endete das Fest. Als alle Gäste gegangen waren, nahm die kleine Fee auf dem Rücken ihres Gemahls Platz und sie flogen auf den schönsten Baum dieser Wiese. Ganz langsam ging Uschi zurück nach Hause. Noch lange träumte sie von diesem wundervollen Erlebnis.

(c) Christina Telker

*mit freundlicher Genehmigung der Autorin - zur Homepage von Christina Telker

Barbara Acksteiner
Schneeglöckchen Nummer 15

Der Schnee ist auf den Feldern schon fast weg geschmolzen. Der Frühling lässt noch auf sich warten.

Doch das Schneeglöckchen, das den langen kalten Winter tief schlafend unter der Erde verbracht hat, wird von den ersten – aber noch schwachen Sonnenstrahlen – bereits geweckt. Verschlafen und etwas zerknittert steckt es sein kleines Köpfchen der warmen Frühlingsluft entgegen. Es wühlt dabei mit aller Kraft die Erde beiseite, um endlich vollständig ans Tageslicht zu gelangen. Ein letzter starker Kraftaufwand ist nötig, dann hat es das kleine, zarte Schneeglöckchen geschafft! Es ist frei, es lebt und freut sich, dass es sogleich von der Sonne liebevoll geküsst und begrüßt wird.

Hui, was ist das? Die Sonne ist aber nicht allein da. Ein Windstoß weht dem Schneeglöckchen um die Ohren. Es wiegt sich im Winde und sein Blütenglöckchen bimmelt sanft hin und her. Es sieht sich um und entdeckt zur großen Freude, dass es nicht allein ist. Ringsum stehen viele Artgenossen und bimmeln mit dem neuen Blümchen um die Wette.
„Bimmelemelimm! Bimmelemelimm! Huhu, da bist du ja endlich!“, ruft eins, „wo warst du denn so lange?“
Das Schneeglöckchen neigt beschämt den Kopf: „Ach, weißt du“, gähnt es, „ich bin eben erst wach geworden. Wie heißt du? Mein Name ist Schneeglöckchen Nummer 15.“
„Ich bin Nummer zwei, ich Nummer vier und ich Nummer elf“, bimmeln die Schneeglöckchen.
Eins nach dem anderen meldet sich zu Wort. Es dauert nicht lange und ein wunderschönes Bimmelemelimmliedchen ertönt. Es klingt allerliebst, dass sogar der Wind das Pusten vergisst und die Sonne bei dem zarten Schneeglöckchengebimmel anfängt zu lächeln.

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Als sich nach einer Weile die Aufregung um den Neuankömmling Schneeglöckchen Nummer 15 gelegt hat, ist schon eine weitere Frühlingssonnenlichtanbeterin im Anmarsch. Bettina, ein kleines fünfjähriges Mädchen, kommt in den Garten. Sie schaut sich um. Da erblickt sie etwas Weißes.
Dieses Gebilde ist von der weißen Pracht, die der letzte Winter den Menschen gebracht hat, als letzter Zeuge übrig geblieben. Schnurstracks läuft sie mit ihren kleinen Beinchen auf einen winzigen Schneehaufen zu. Bettina lacht dabei, als sie mit ihren Händchen in den matschigen weißen Schnee greift und aus ihm einen kleinen Schneeball formt. Sie wirft den Matschepampeball in die Luft und versucht ihn jedes Mal mit ihren kleinen Händen aufzufangen. Sie jauchzt voller Freude, wenn ihr das gelingt. Aber es klappt nicht immer. Die quirlige Bettina wird knurrig, wenn das schneeweiße Bällchen nicht macht, was sie sich wünscht.
So auch diesmal.
Das süße Mädchen, mit den großen rosa Taftbandpropellern an den langen braunen Zöpfen. wirft den eiskalten Ball so hoch es kann. Es hält die kleinen Händchen zum Fangen auf. Aber der matschige Schneeball landet diesmal nicht in den Patschhänden der kleinen Bettina, sondern bei den Schneeglöckchen. Schneeglöckchen Nummer 15 kann rechtzeitig das kleine Köpfchen einziehen.
„Hilfe! Was war das denn? Beinah wäre mein Glöckchen abgebrochen“, seufzt es und schaut sich rührig zu ihren Geschwistern um.
Sie haben vor lauter Schreck ihr Bimmeln eingestellt und rufen besorgt: „Nummer 15, tut dir was weh? Geht es dir wirklich gut?“
„Ja, aber ich glaube es fängt wieder an zu schneien! Dabei sind wir die ersten Frühlingsboten!“

Gerade als Nummer eins antworten will, sieht es ein kleines Mädchen, das sich mit rotem Näschen, weit aufgerissenen Äugelein und wippenden Zöpfen den Schneeglöckchen nähert. Mucksmäuschenstill stehen sie da.

Bettina steht vor dem Schneeball, der jetzt in vielen weißen glitzernden Krümelchen vor ihr liegt. Sie will schon weggehen, da erblickt sie die kleinen Blümchen, trippelt von einem Fuß auf den anderen und da greift ihr Händchen nach Nummer 15. Das zarte, vor Angst zitternde, Schneeglöckchen schließt starr vor Schreck die winzigen Blumenäugelein.
„Das war‘s dann wohl“, weint es, „kaum habe ich mich ans Licht gewagt, schon werde ich abgepflückt.“
So flink sich die kleine Hand dem Schneeglöckchen genähert hat, genauso schnell nimmt Bettina sie wieder weg. Plötzlich dreht sie sich um und läuft in Richtung Verandatür.

Schneeglöckchen Nummer 15 öffnet vorsichtig die verweinten Augen.
Es hört, wie die anderen Schneeglöckchen auch, das kleine Mädchen rufen: „Mutti, Mutti, ich habe was Schönes entdeckt. Mutti, komm doch mal, ganz schnell!“
Bettina hat die Tür noch nicht erreicht, da kommt ihr die Mutter entgegen. Als die kleine Zaubermaus bei ihrer Mutter angelangt ist, zupft sie aufgeregt an ihrem Pulli. Sie gibt nicht eher Ruhe, bis sich ihre Mutti die Schuhe anzieht und ihr in den Garten folgt. Vor den Schneeglöckchen, die sich wieder sanft im Wind wiegen, bleibt sie stehen. Mit ihrem kleinen Zeigefinger zeigt Bettina auf die Blümchen.
Nummer 15 duckt sich verstört und beginnt erneut wie Espenlaub zu bibbern. Es hat Angst!
Ja, es hat sogar große Angst!
„Guck mal, sind die nicht süß?“, fragt die Kleine, „willst du eins haben, Mutti? Hier! Das …, soll ich?“
Schneeglöckchen Nummer 15 bleibt fast das Herzchen stehen. Die Hand! Da ist sie wieder! … und diese kleine Hand, sie kommt immer näher!
„Bettina, nein, ich möchte nicht, dass du für mich dieses schöne Schneeglöckchen pflückst. Sieh mal, das sind unsere ersten Frühlingsblümchen, die wollen leben! Wenn du die abbrichst, weinen sie. Es tut ihnen weh, wenn man ihre Stängel abschneidet und sie von ihren Geschwistern trennt“, versucht die Mutter liebevoll ihr energisches „Nein“ zu erklären.
Das kleine Mädchen denkt nach.
„Hmmm, ist nicht schlimm. Dann mache ich das eben nicht. Ich kann ja immer in den Garten gehen und gucken ob sie leben, oder?“
„Na ja, meine Kleine, lange leben die Schneeglöckchen nicht. Aber weißt du …“, bei diesen Worten fasst sie ihre Tochter an die Hand und geht mit ihr ein paar Schritte weiter in den Garten. An einer anderen Stelle bleiben sie stehen.
„Schau, Bettina, dort sind neue grüne Blätter zu sehen, siehst du sie?“
Das Mädchen nickt.
„Wenn die zarten Schneeglöckchen verblüht sind, erwachen die nächsten Blümchen zum Leben. Die lieblichen Märzenbecher, die prächtigen Primelchen und Krokusse, all diese Blumen läuten den Frühling ein. Ist das nicht schön?“, fragt die Mutter ihr Kind.
Die Augen der Kleinen strahlen, als sie den Worten ihrer Mutter lauscht.
„Ja, Mutti, ist gut. Ich pflücke nichts ab, ehrlich nicht, wirklich nicht!“
Sie schüttelt energisch mit dem Köpfchen, dass ihre braunen Zöpfe wild hin und her fliegen.
„Und soll ich dir noch was erzählen, Bettina?“
„Oh ja, Mutti“, bettelt das Mädel.
„Gut! Also, wenn später endlich die Narzissen und Osterglocken im Garten blühen, weißt du, was dann ist, mein Liebling?“, fragt die Mutter lächelnd ihr Kind.
Wie aus der Pistole geschossen, ruft Bettina: „Dann ist Ostern, dann kommt der Osterhase!“
Bettina hüpft wie ein aufgescheuchtes Reh durch den Garten und ruft immer wieder: „Blümchen sollen leben, bald wird es Ostereier geben! Blümchen sollen leben, bald wird es Ostereier geben!“

Diese Worte haben auch alle Schneeglöckchen gehört. Sie sind überglücklich. Und als Nummer 15 vor lauter Freude wieder anfängt zu bimmeln, stimmen alle anderen mit ein.
Ja, und wenn man ganz leise ist, dann kann man ihr wundervolles Bimmelemelimmliedchen immer zu Beginn des Frühlings hören.

© Barbara Acksteiner

Erschienen in dem Anthologie-Buch: Frühling im Herzen, Band 2 / Elbverlag im April 2013 - Hrsg. Marie Rossi / ISBN 978-3-941127-21-0

*mit freundlicher Genehmigung von Barbara Acksteiner


Elke Bräunling
Frühlingsfreude

Die Sonne scheint und es ist frühlingswarm. Endlich.
Ein köstlicher Duft liegt in der Luft. Milde. Süß. Betörend. Und auch ein bisschen würzig. Der Duft junger Kräuter, Frühlingsblüten und Erde zaubert Frühlingsfreude in den hellen Tag.
Junge Grashalme, Blättchen und Kräuter schmücken Wiesen, Wegraine, Feldränder und Weinbergzeilen mit ihrem leuchtend hellen Grün.
Von überall her lächeln dir Frühlingsblümchen im gelben, weißen und lilafarben Blütenkleid zu. Auch die ersten Bäume tragen zarte weiße und rosafarbene Blütenschleier. Wie Bräute sehen sie aus. Feierlich und stolz.
Aufgeregt erforschen die Tiere den Tag. Bienen, Hummeln, Käfer und Schmetterlinge umsummen mit ungeduldigen Flügelschlägen die Blütenpracht auf der Suche nach Nektar. Mäuse und Wiesenhamster huschen durch das Gras, das noch zu niedrig gewachsen ist, um sie zu verbergen, und die Vögel sind mit Nestbau und Brautschau beschäftig. Sie singen der jungen Welt ihre Frühlingslieder. Laut. Fröhlich. Kunterbunt. Überall in den Parks und Gärten, den Wiesen, Feldern, Wäldern herrscht ein geschäftiger Betrieb.

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Und alle freuen sich.
Der Frühling ist da. Endlich. Hurra!
Auch du freust dich über den jungen Frühling.
Überall kannst du ihn sehen und hören und riechen und fühlen und auch schmecken.
Schau einmal!
Siehst du ihn, den Frühling, rings um dich herum?
Siehst du, wie die Welt nun wieder bunter wird? Bunter und fröhlicher.
Lausche einmal!
Hörst du ihn, den Frühling, von überall her?
Spürst du, wie heiter das Leben ringsum wieder klingt?
Schnuppere einmal!
Riechst du ihn, den Frühling, mit seinen süßen Düften?
Merkst du, wie würzig süße Gerüche dich nach draußen locken?
Fühle einmal!
Spürst du die Frühlingsluft auf deiner Haut?
Sanft streicht sie durch dein Haar. Du fühlst dich frei.
Koste einmal!
Die Düfte des Frühlings machen dir Appetit.
Schmeckst du die Süße des Tages auf deinen Lippen?
Siehe, höre, rieche, spüre, schmecke!
Der Frühling ist da … und du fühlst dich gut.
Ruhig bist du und entspannt.
Froh bist du und frei.
Du freust dich.
„Ja!“, rufst du.
Du schließt die Augen, breitest die Arme aus, atmest tief ein und aus, lauschst und genießt den Moment.

Spürst du sie, die Frühlingsfreude?

© Elke Bräunling

*mit freundlicher Genehmigung der Autorin Elke Bräunling - zur Autorenseite

Ingeborg Reichel
Frühling

Der Frühling kommt, wenn er kommt.
Er hält sich weder an den Kalender, noch an die
„allwissenden“ Meteorologen.
Ganz unbemerkt schleicht er sich von hinten heran.

Heute noch alles öd und kahl –
der Winter will und will nicht weichen.

Doch morgen, was ist das?
Zarte Knospen in blau, gelb, rosa, lugen neugierig hervor
als wollten sie fragen: „Was ist denn hier los?
Der Frühling ist da! Hat sich das noch nicht herumgesprochen?

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Es ist, als hätte die Natur auf diese Vorboten gewartet.
Auch die Sonne wird durch sie gnädig gestimmt und strengt sich mächtig an, damit ihre Strahlen die Erde erwärmen.

Kaum zu sehen, äugen die ersten zartgrünen Blätter an Büschen und Sträuchern vorsichtig in die Landschaft.
Die Weidenkätzchen bekommen vor Freude große Augen.

Überall trauen sich jetzt auch Narzissen und andere Frühblüher ihr Gesicht zu zeigen.
Die Vögel inspizieren aufgeregt die Umgebung nach geeignetem Nistmaterial.
Alles erwacht zu neuem Leben.

(c) Ingeborg Reichel

*mit freundlicher Genehmigung der Autorin Ingeborg Reichel

Antje Steffen
Luise im Glück

Munter marschierte Luise drauflos. Ihre Sandalen trug sie in der Hand, die Hose war bis zu den Knien hochgekrempelt. Luise ging direkt am Wasser, sodass die Wellen über ihre Füße schwappten.
Sie fand es herrlich, auch wenn das Wasser jetzt im April noch kalt war.
Heute war ein besonders schöner Tag. Bereits am frühen Morgen war Luise von der Sonne geweckt worden, die durch einen Spalt zwischen den Gardinen ins Zimmer schien. Luise war aufgestanden,  hatte sich angezogen und los ging es an den Strand. Hier genoss sie die Ruhe. So früh war der Strand menschenleer und Luise war mit sich und ihren Gedanken allein.
Das war für sie die schönste Zeit des Tages. Luise beobachtete die Möwen, die kreischend über das Meer flogen und hineintauchten, wenn sie einen Leckerbissen entdeckten. Sie mochte die großen Vögel und liebte es, ihnen zuzusehen.
Während Luise in ihre Beobachtungen vertieft war, kam ein Hund über den Strand zu ihr gelaufen. Vor ihr blieb er schwanzwedelnd und bellend stehen. Dieses Bellen klang nach einer Aufforderung.
Luise blickte zu dem Hund und schaute sich um. Als sie niemanden entdeckte, beugte sie sich zu dem Tier und sagte: „Na, mein Freund! Zu wem gehörst denn du?“

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Der Hund, ein Mischling, bellte kurz und stupste Luise an. Er wandte sich um und lief ein Stück, blieb jedoch kurz darauf stehen und sah Luise auffordernd an. Es war, als ob er sagen wollte: „Komm schon!“
Luise folgte dem Tier. Der Hund führte sie in Richtung der nahen Felsen. Als die beiden sich diesen näherten, hörte Luise eine schwache Stimme. Luise beschleunigte ihren Schritt, um nachzusehen, was geschehen war. Als sie um die Felsen herumbog, sah sie den Hund. Dieser hockte neben einem Mann, der zwischen den Steinen lag. Luise sah sofort, dass er Hilfe brauchte. Das linke Bein lag verdreht da und war bestimmt gebrochen.
Der Mann sah Luise an und sagte: „Ein Glück, dass sie kommen. Ich dachte, ich müsste hier noch Stunden liegen.“ Luise ging neben dem Mann in die Hocke, um sich die Sache genauer anzusehen. „Sie haben Glück, dass ihr Hund mich geholt hat. Bis zu den Felsen gehe ich normalerweise nicht. Mein Name ist Luise Hermann. Es sieht aus, als wenn ihr Bein gebrochen ist. Zum Glück habe ich mein Handy dabei. Ich rufe sofort Hilfe.“
Gesagt, getan. Luise rief den Rettungsdienst und dieser war kurze Zeit später vor Ort. 
Inzwischen hatte sich der Verletzte als Walter Boehme vorgestellt. Als die Sanitäter ihn abtransportieren wollten, sagte er: „Halt, was wird aus Willy? Ich kann den Hund nicht hier zurücklassen.“
Luise beruhigte ihn. „Ich kümmere mich um Willy. Sagen Sie mir, wo Sie wohnen und ich bringe ihn zu Ihrer Frau. Die wird sich bestimmt Sorgen um Sie machen.“ Walter schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht verheiratet. Es gibt niemanden, der sich um Willy kümmern könnte.“ „Dann werde ich Willy mit zu mir nehmen.“ Luise wandte sich an die Sanitäter. „In welches Krankenhaus bringen Sie Herrn Boehme?“
Nachdem Luise erfahren hatte, was sie wollte, erklärte sie Walter Boehme, dass sie sich um alles Weitere kümmern würde. Beruhigt ließ dieser sich ins Krankenhaus bringen. In den nächsten Tagen kümmerte Luise sich um Willy. Außerdem besuchte sie Walter Boehme regelmäßig im Krankenhaus. Er hatte ihr seinen Wohnungsschlüssel gegeben und Luise holte ihm die Dinge, die er brauchte.
Als Walter das Krankenhaus verlassen konnte, sorgte Luise weiter für ihn und Willy. Die drei verstanden sich gut und Luise freute sich, dass sie Walter und seinen Willy kennengelernt hatte. Diese zwei hatten ein ganz neues Glück in Luises Leben gebracht.

© Antje Steffen

*mit freundlicher Genehmigung von Antje Steffen - zu ihrer Internetseite

Elke Bräunling
Nektar für die Bienen

„Hey, wacht auf! Es ist höchste Zeit!“
Laut hallte die Singsangstimme der Frühlingselfe durch den Garten. Laut und drängend.
„Frühling ist’s, ihr lieben Blumen! Die Menschen warten auf euch, die Tiere und ganz besonders die Bienen und Hummeln und Schmetterlinge und Käfer. Sie haben Hunger und wollen euren Nektar trinken. Hört ihr mich, ihr Blumen?“
„Wohl! Wohl!“, brummte die Hyazinthe, die noch tief in der Erde in ihrer Zwiebelknolle ruhte. „Du bist nicht zu überhören. Aber bist du dir sicher, dass der Frühling schon da ist, Frühlingselfe?“
„Aber klar. Ich bin doch auch da! Hörst du mich nicht?“
„Natürlich. Klar und deutlich singt dein Lied in meinem Ohr. Schließlich hast du mich aus meinem wohlverdienten Winterschlaf geweckt und …“
„Sie lügt, die Elfe!“, wurde er da von den Gänseblümchen, die ihre Köpfe zögernd aus der wintergrauen Wiese reckten, unterbrochen. „Kalt ist es noch und windig und frostig hart in den Morgenstunden. Der Frühling lässt sich Zeit und auch ihr könnt noch ein wenig ruhen.“

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„Stimmt!“, bestätigten die Schneeglöckchen. „Für euch ist es noch viel zu kühl. Wir sind an der Reihe. Wir und unsere Freunde, die Winterlinge und Märzenbecher und Krokusse. Es ist unsere Zeit.“
„Na, dann ist es ja gut“, murmelte die Hyazinthe. „Ich kann also noch ein Weilchen in meiner Zwiebel bleiben.“
„Wir auch!“, riefen die Narzissen, Tulpen und Irisblüten. „Unsere Zeit ist noch nicht gekommen. Wir werden jetzt noch nicht gebraucht.“
„Falsch!“, rief die kleine Elfe und ihre Stimme klang ein bisschen seltsam, ja, verzweifelt fast. „Und wie ihr gebraucht werdet! Ihr und euer süßer Nektar. Die Bienen und Hummeln sind hungrig. Sehr sogar. Ihr müsst ihnen helfen und blühen. Schnell.“
„Warum fliegen sie nicht zu den Weiden und Haselsträuchern drüben bei der großen Wiese wie jedes Jahr?“, näselte die Papageientulpe mit ungehalten klingender Stimme. „Dort finden sie im frühen Frühling immer genug Nahrung.“
„Weil … weil es die Weiden und Haselsträucher nicht mehr gibt. Die Menschen haben sie im Herbst gefällt und ihr Holz verbrannt. Seht selbst!“ Traurig klang die Stimme der Elfe nun. „Sie denken nicht mehr nach, die Menschen. Schon gar nicht mehr sorgen sie sich um die Tiere und Pflanzen. Auch uns Elfen scheinen sie wohl vergessen zu haben.“
„Jaja! Jaja! Nur wir sind jetzt für die Bienen da“, riefen die Schneeglöckchen.
„Wir auch! Hört ihr? Wir auch!“, ergänzten die Winterlinge und Krokusse, und die Märzenbecher riefen:
„Wir hatten auch heute wieder viele Bienen, Hummeln, Käfer und auch Schmetterlinge mit zitronengelben Flügeln zu Gast. Das war schön.“
„Aber ihr seid zu wenige!“, klagte die Elfe. „Von eurem Nektar allein werden eure Gäste nicht satt. Und deshalb müssen alle Blumen …“ Sie brach ab, weil sie weinen musste.
„Oho!“, murmelte die Hyazinthe.
„Oh weh! Oh weh!“, klagten die Narzissen und die Tulpen riefen:
„Was zögert ihr? Los! Los! Lasst eure Triebe wachsen! Lasst uns dem frühen Frühling nektarsüße Düfte schenken und ihn mit unseren Blüten frühlingsbunt bemalen! Seid ihr dabei?“
„Jaaaa!“, riefen die Blumenzwiebeln und ein Raunen ging durch die Böden der Gärten ringsum:
„Aufwachen! Hört ihr! Aufwachen und wachsen und blühen. Unsere Freunde, die Bienen brauchen uns.“
Allüberall in den Gärten war dieses Raunen zu hören und es dauerte nicht lange, bis frische grüne Blattspitzen die grauen Böden schmückten.
„So ist es gut“, bedankte sich die Elfe. „Ihr seid alle wundervoll. Es ist ein Anfang. Ja, ja, so ist es gut.“
Und das war es auch. Für den Moment.

© Elke Bräunling

*mit freundlicher Genehmigung der Autorin Elke Bräunling - zur Autorenseite

Ingeborg Reichel
Tumult im Blumenkasten

Erwartungsvoll stand der leere Blumenkasten am Rand der Terrasse.
Die ersten warmen Strahlen der Märzsonne hatten ihn aus dem Winterschlaf geweckt.
Er freute sich auf die herrlich duftende Erde aus dem Komposthaufen, die bereits im Herbst vorbereitet wird. Fleißige Bakterien, Pilzen und Urtierchen bearbeiten sie unermüdlich. Als nächstes mischten allerhand Würmer das Ganze gründlich durcheinander, so dass daraus beste Pflanzerde entsteht.
Endlich war es soweit.

Kaum war sein leerer Bauch mit der reichhaltigen Komposterde gefüllt, ging das Gezeter auch schon los.
Der kleine Mikrokosmos war aus den Fugen geraten. Die Bewohner rannten kreuz und quer, schimpften über die Störung und den ungewollten Umzug vom Komposthaufen in den Blumenkasten.
Es war ein heilloses Chaos. Paul, der Tauwurm mit seinem rötlichen Vorderteil wirkte total verstört und flitzte in die hinterste Ecke.
Hochnäsig richtete sich Hannibal, der mit gelblichen Ringen getigerte Kompostwurm,  auf. „Mach dass du wegkommst“ herrschte er den Rotwurm an, das hier ist mein Revier. Dieser ringelte sich erschrocken ganz klein zusammen.

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Otto, der gräulich gekleidete, sogenannte „Gemeine Regenwurm“ weinte jämmerlich. Man hatte ihm mit dem Spaten das Hinterteil abgetrennt und er konnte es nicht mehr finden. Außerdem hasste er Streitereien.
Als er jedoch sah, wie aus dem Ei, das in einem Kokon eingeschlossen war, zwei fast durchsichtige Regenwürmerbabys schlüpften, lachte sein Herz, der Schmerz war vergessen und seine Welt wieder in Ordnung.
Der Tausendfüßler Flitzer hastete an dem lahmen Springschwanz vorbei, der mit seinen 6 Beinen nur langsam voran kam. Voller Schadenfreude lachte Flitzer ihn aus und stolperte vor lauter Eitelkeit schließlich in der Eile über seine vielen Füße.
Mit einem breiten Grinsen überholte ihn Springschwanz in genüsslicher Langsamkeit.

Die Milben und Asseln konnten sich über soviel Hektik nur wundern. Sie fühlten sich überall zu Hause, es musste nur dunkel und feucht sein. Gemütlich suchten sie sich ein warmes Plätzchen in der lockeren Erde und waren zufrieden.
Doch die gefräßigen, gerade mal 3 mm winzigen, Pseudoskorpione waren äußerst   aggressiv. Wie konnte es jemand wagen, sie ungefragt aus ihrem gewohnten Lebensraum an einen anderen Ort zu platzieren.
Kaum war etwas Ruhe eingekehrt, ging der Trubel wieder los.
Es wurde rücksichtslos gewühlt. Wieder wurden alle durcheinander gewirbelt.
Der Blumenkasten jubelte. Endlich bekam er Blumenschmuck. Gelbe, blaue und weiße Stiefmütterchen hielten Einzug. Diese waren begeistert. Nun konnten sie sich endlich ausbreiten, waren aus dem engen Topf befreit.

Zu früh gefreut.
Zwei Hyazinthen quetschten sich noch dazwischen. „Verschwindet, dass ist unser zu Hause“, schimpften die Stiefmütterchen.
Da ergoss sich ein Schwall Wasser über den Blumenkasten. Der stets neugierige Tausendfüßler wurde über Bord gespült und hastete verstört davon.
„Wir ertrinken, wir ertrinken!“ Zeternd versuchten sich die Winzlinge in Sicherheit zu bringen. Es war das absolute Chaos.

„So wird einem die viele Arbeit gedankt, die wir den ganzen Winter über geleistet haben. Ab sofort wird gestreikt“, waren sich alle einig.
Nach einigen Stunden jedoch hatten sich die Wogen geglättet, das Wasser sich gut verteilt, die Erde war angenehm durchfeuchtet und das Debakel vergessen.
Die Blumen richteten sich stolz auf, jedes Tierchen ging wieder seiner Arbeit nach, so wie die Natur es bestimmt hat.    

(c) Ingeborg Reichel

*mit freundlicher Genehmigung der Autorin Ingeborg Reichel

Antje Steffen
Im Garten

Im Garten wird es langsam lebendig. Gerda schaut hinaus und freut sich über die ersten Blumen des Frühlings. Die Krokusse leuchten in gelb, blau und weiß zu ihr ins Zimmer. Bald ist es soweit und Gerda kann in den Garten gehen und sich auf ihre Lieblingsbank am Teich setzen. Dort hat sie schon viele Stunden verbracht. Im Frühling ist es besonders schön. Die Vögel zwitschern und Gerda kann beobachten, wie sie damit beginnen Material für ihre Nester zu suchen. Nicht lange und die ersten Frösche sitzen am Teichrand und genießen die ersten Sonnenstrahlen. Ein bisschen traurig ist Gerda. Früher konnte sie hinaus gehen und ihren geliebten Garten bearbeiten. Das ist ihr nicht mehr möglich. Mit ihren achtzig Jahren ist Gerda zwar noch rüstig, doch der Rücken macht ihr Probleme und die Gartenarbeit muss ein Gärtner für sie machen. Wenn Paul noch bei ihr wäre, würde er bestimmt draußen sein und die Beete herrichten. Aber Paul ist vor zwei Jahren gestorben und Gerda muss alleine klarkommen. Zum Glück hat sie ihre Familie und die besucht sie regelmäßig. Manchmal fragt Marion, ob Gerda nicht lieber in ein Heim gehen will. Sie kann sich ein Zimmer nehmen oder eine kleine Wohnung. Solange sie sich alleine versorgen kann, will Gerda das nicht. Die alte Frau weiß, sie würde ihr Haus und ihren Garten vermissen.

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Am Nachmittag ist die Sonne warm und Gerda wagt es sich in den Garten zu begeben. Sie hat sich eine warme Strickjacke angezogen und das Sitzkissen unter den Arm geklemmt. Am Teich angekommen, wischt sie die Bank sauber und macht es sich bequem. Gerda freut sich, als sie bald darauf ein Rotkehlchen sieht, das sich ihr ohne Scheu nähert. Sie lächelt.

„Hallo, mein kleiner Freund. Freust du dich, dass es endlich warm wird. Morgen kommt der Gärtner, dann findest du bestimmt den einen oder anderen Leckerbissen.“

Das Rotkehlchen hockt vor Gerda und betrachtet die alte Frau mit schief gelegtem Kopf. Es scheint Gerda, als ob der kleine Vogel sie verstehen würde. Einen Moment leistet er ihr noch Gesellschaft, dann beginnt er damit nach Futter zu suchen. Gerda beobachtet den Vogel. Ob es der Gleiche ist, den sie im Winter an ihrem Vogelhäuschen gesehen hat?

Gerda bleibt eine Weile sitzen und beschließt eine Runde durch den erwachenden Garten zu gehen. Mühsam erhebt sie sich. Ihr Rücken macht ihr sehr zu schaffen. Wenn sie erstmal in Bewegung ist, wird es bald besser. Gerda umrundet ihren Garten und entdeckt überall Anzeichen für den Frühling. Hier blühen die Krokusse, dort die Winterlinge. Auf einem Beet strecken die Tulpen und Narzissen ihre Triebe in die Höhe. Bald werden sie erblühen und noch mehr Farbe in den Garten bringen. Als Gerda weitergeht, entdeckt sie einen Vogel. Der Kleine sitzt in der Nähe des Hauses und sieht ziemlich mitgenommen aus. Gerda vermutet, dass er gegen die Fensterscheibe geflogen ist. Das passiert leider immer wieder und so mancher kleine Piepmatz hat solch einen Unfall nicht überlebt. Diese kleine Blaumeise scheint zwar angeschlagen, doch sie lebt. Vorsichtig nimmt Gerda den Vogel hoch und betrachtet ihn genauer. Beruhigend spricht sie auf ihn ein und bald merkt sie, wie er ruhiger wird. Gerda entscheidet, die Meise in ihr Vogelhäuschen zu setzen. Dort kann sich der Vogel erholen und ist vor den Katzen der Umgebung sicher. Nachdem sie die Meise abgesetzt hat, holt Gerda ein paar Körnchen vom Vogelfutter und Wasser. Diese Dinge werden dem kleinen Vogel gut tun.

Nachdem die Meise versorgt ist, merkt Gerda, wie müde sie geworden ist. Sie geht ins Haus, um sich auszuruhen. Der Frühling fängt gerade erst an und sie hat noch viel Zeit, um ihn zu genießen.

© Antje Steffen

Erschienen beim Elbverlag in der Anthologie „Frühling im Herzen Band 2“.

*mit freundlicher Genehmigung von Antje Steffen - zu ihrer Internetseite

Elke Bräunling
Aprilwetterlaunen

Anton blickt aus dem Fenster seines Zimmers. Wann hört es endlich auf zu regnen?
Er seufzt und setzt sich aufs Bett. Er ist traurig. Es ist Sonntag, und eigentlich war ein Ausflug in den Zoo mit Papa, Mama und seiner kleinen Schwester Annalisa geplant. Die Ziegen und Schafe dort im Zwergenzoo haben nämlich Lämmer bekommen, und die will Anton gerne mit seiner neuen Kamera fotografieren. Vor lauter Vorfreude hat er gar nicht richtig schlafen können. Und nun ist draußen solch ein gemeines Wetter. Gestern war doch noch ein schöner, warmer Frühlingssonnentag gewesen!
„Blöder April!“, mault Anton. „Man kann sich nicht auf ihn verlassen. Immer bringt er das falsche Wetter.“
Anton ist jetzt genauso grau gelaunt wie das Wetter draußen.
Als die Kirchenuhr acht Mal schlägt, klopft es an seiner Tür und Papa streckt den Kopf ins Zimmer.
„Na, Anton, bist du auch so gut gelaunt wie ich?“, fragt er.

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Gut gelaunt? Anton schüttelt den Kopf. Nein, er ist nicht gut gelaunt. Nicht an diesem nassen, grauen Aprilwettertag und schon dreimal nicht wegen des verpatzten Zoobesuchs. Er verzieht sein Gesicht zu einer griesgrämigen Schnute.
“Gar nicht gut gelaunt bin ich”, mault er. “Nicht bei diesem doofen Aprilwetter.”
“Aprilwetter?”, sagt Papa und lacht. “Das sehe ich nur auf deinem Gesicht. Lach doch mal, Anton!“
„Pah! April ist echt blöde“, trotzt Anton. „Es regnet. Dabei wollten wir in den Zoo gehen.“ Mürrisch deutet er mit dem Kopf zum Fenster.
“Na und?”, fragt Papa. “Was interessiert uns das Wetter? Los! Zieh dich warm an! Vergiss auch die Gummistiefel nicht!“
Antons Gesicht hellt sich auf. „Gehen wir trotzdem in den Zoo?“
Papa zwinkert ihm zu. „Aber ja! Was denkst du denn? Es gibt kein schlechtes Wetter und auch kein Schlechtwettergesicht. Es gibt nur falsche Kleidung und falsche trübe Gedanken.“

© Elke Bräunling

*mit freundlicher Genehmigung von Elke Bräunling - eine etwas längere Fassung dieser Geschichte findet ihr auf ihrer Internetseite.


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