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Klassische Gedichte zur Herbstzeit

Hier erwarten Sie interessante Werke bekannter und weniger bekannter klassischer Lyriker zur leisen Wehmut der farbenprächtigen Herbstzeit.

Herbst - Bäume am See
Foto: Thomas Max Müller / pixelio.de

Nun lass den Sommer gehen,
Lass Sturm und Winde wehen.
Bleibt diese Rose mein,
Wie könnt ich traurig sein?

Joseph von Eichendorff (1788-1857)

Herbstgedichte klassischer Autoren von A - Z

Blätterfall
Christian Morgenstern

Blätterfall
Heinrich Leuthold

Das ist nicht Sommer mehr
Cäsar Otto Hugo Flaischlen

Die gelben Blätter schaukeln
Carl Spitzweg

Erntedank
Herbert von Hoerner

Frühherbst
Franz Josef Zlatnik

Graues Land
Stefan Zweig

Herbst
Wilhelm Busch

Herbst
Johannes Trojan

Herbst
Nikolaus Lenau

Herbst
Detlev von Liliencron

Herbst
Johannes Schlaf

Herbst
Emerenz Meier

Herbst
Rainer Maria Rilke

Herbst
Joachim Ringelnatz

Herbst
Otto Baisch

Herbstbild
Friedrich Hebbel

Herbstlich sonnige Tage
Emanuel Geibel

 

 

Kleine sonnenüberströmte Gärten
Arno Holz

Komm in den totgesagten Park und schau
Stefan Anton George

Lass rauschen, immer rauschen
Hoffmann von Fallersleben

Leise Herbsttage
Oskar Loerke

Nebeltag
Hermann von Lingg

November
Heinrich Seidel

Novembertag
Christian Morgenstern

Oktoberlied
Theodor Storm

O trübe diese Tage nicht
Theodor Fontane

Regen in der Dämmerung
Hugo von Hofmannsthal

Schöner Herbst
Kurt Tucholsky

Septembermorgen
Eduard Mörike

Spätherbstnebel, kalte Träume
Heinrich Heine

Spaziergang am Herbstabend
Friedrich Hebbel

Tage, wie Blätter still
Max Dauthendey

Vergänglichkeit
Charlotte von Ahlefeld

Verklärter Herbst
Georg Trakl

Wanderlied
Justinus Kerner

Welke Rose
Nikolaus Lenau

Stefan Anton George (1868-1933)
Komm in den totgesagten Park und schau!

Komm in den totgesagten park und schau: 
Der schimmer ferner lächelnder gestade - 
Der reinen wolken unverhofftes blau 
Erhellt die weiher und die bunten pfade.

Dort nimm das tiefe gelb, das weiche grau 
Von birken und von buchs, der wind ist lau - 
Die späten rosen welkten noch nicht ganz - 
Erlese küsse sie und flicht den kranz -

Vergiss auch diese lezten astern nicht - 
Den purpur um die ranken wilder reben -
Und auch was übrig blieb von grünem leben 
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.

*aus: Gedichte für einen Herbsttag "dtv" Hrsg.: Gudrun Bull

Kurt Tucholsky (1890-1935)
Schöner Herbst

Das ist ein sündhaft blauer Tag!
Die Luft ist klar und kalt und windig,
weiß Gott: ein Vormittag, so find ich,
wie man ihn oft erleben mag.

Das ist ein sündhaft blauer Tag!
Jetzt schlägt das Meer mit voller Welle
gewiß an eben diese Stelle,
wo dunnemals der Kurgast lag.

Ich hocke in der großen Stadt:
und siehe, durchs Mansardenfenster
bedräuen mich die Luftgespenster ...
Und ich bin müde, satt und matt.

Dumpf stöhnend lieg ich auf dem Bett.
Am Strand wär es im Herbst viel schöner
Ein Stimmungsbild, zwei Fölljetöner
und eine alte Operett!

Wenn ich nun aber nicht mehr mag!
Schon kratzt die Feder auf dem Bogen,
das Geld hat manches schon verbogen ...
Das ist ein sündhaft blauer Tag!

*gefunden auf www.gedichtsuche.de

Arno Holz (1863-1929)
Kleine, sonnenüberströmte Gärten

Kleine, sonnenüberströmte Gärten
mit bunten Lauben, Kürbissen und Schnittlauch.

Noch blitzt der Thau.

Ueber den nahen Häuserhorizont ragen Thürme.

Durch das monotone Geräusch der Neubauten,
ab und zu,
pfeifen Fabriken,
schlagen Glocken an.

Auf einer Hopfenstange sitzt ein Spatz.

Ich stehe gegen einen alten Drahtzaun gelehnt
und sehe zu, wie über einem Asternbeet
zwei Kohlweisslinge taumeln.

Christian Morgenstern (1871-1914)
Blätterfall

Der Herbstwald raschelt um mich her...
Ein unabsehbar Blättermeer
entperlt dem Netz der Zweige.
Du aber, dessen schweres Herz
mitklagen will den großen Schmerz -
sei stark, sei stark und schweige!

Du lerne lächeln, wenn das Laub,
dem leichten Wind ein leichter Raub,
hinabschwankt und verschwindet.
Du weißt, daß just Vergänglichkeit
das Schwert, womit der Geist der Zeit
sich selber überwindet.

Carl Spitzweg (1808 -1885)
Die gelben Blätter schaukeln...

Die gelben Blätter schaukeln
Im Sonnenstrahl, dem fahlen,
Nicht Amoretten gaukeln
Wie Anno dazumalen.

In warmer Ofennähe,
Filzschuhe an den Füßen,
Erwart' ich still und spähe,
Was bald wird kommen müssen.

Doch will getrost ich wandern,
Und wird der Vorhang fallen,
So gönn' ich gerne andern,
Den Frühling neu zu malen.

Hermann von Lingg (1820-1905)
Nebeltag

Nun weicht er nicht mehr von der Erde,
Der graue Nebel, unbewegt;
Er deckt das Feld und deckt die Herde,
Den Wald und was im Wald sich regt.

Er fällt des Nachts in schweren Tropfen
Durchs welke Laub von Baum zu Baum,
Als wollten Elfengeister klopfen
Den Sommer wach aus seinem Traum.

Der aber schläft, von kühlen Schauern
Tief eingehüllt, im Totenkleid.
O welch ein stilles, sanftes Trauern
Beschleicht das Herz in dieser Zeit!

Im Grund der Seele winkt es leise,
Und vom dahingeschwundnen Glück
Beschwört in ihrem Zauberkreise
Erinnrung uns den Traum zurück.

Christian Morgenstern (1871-1914)
Novembertag

Nebel hängt wie Rauch ums Haus, 
drängt die Welt nach innen;
ohne Not geht niemand aus; 
alles fällt in  Sinnen.

Leiser wird die Hand,  der Mund,
stiller die Gebärde.  
Heimlich, wie auf Meeresgrund,
träumen Mensch und Erde.

Johannes Schlaf (1862-1941)
Herbst

Nun kommen die letzten klaren Tage
Einer müderen Sonne.
Bunttaumelnde Pracht,
Blatt bei Blatt.
So heimisch raschelt
Der Fuß durchs Laub.
O du liebes, weitstilles Farbenlied!
Du zarte, umrißreine Wonne!
Komm!
Ein letztes Sonnenblickchen
Wärmt unser Heim.
Da wollen wir sitzen,
Still im Stillen,
Und in die müden Abendfarben sehn.
Da wollen wir beieinander sitzen
In Herbstmonddämmer hinein
Und leise
Verlorene Worte plaudern.

Zwei Steinpilze
Foto: Kurt F. Domnik / pixelio.de

Cäsar Otto Hugo Flaischlen (1864-1920)
Das ist nicht Sommer mehr

Das ist nicht Sommer mehr, das ist September...Herbst;
diese großen weichen Wolken am Himmel,
diese feinen weißen Spinnwebschleier in der Ferne
und hinter den Gärten mit den Sonnenblumen
der ringelnde Rauch aufglimmender Krautfeuer
und diese süße weiche Müdigkeit und diese
frohe ruhige Stille überall und trotzdem wieder
diese frische, satte, erntefreudige, herbe Kraft...
das ist nicht Sommer...das ist Herbst.

Nikolaus Lenau (1802-1850)
Herbst

Rings ein Verstummen, ein Entfärben:
Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,
Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;
Ich liebe dieses milde Sterben.

Von hinnen geht die stille Reise,
Die Zeit der Liebe ist verklungen,
Die Vögel haben ausgesungen,
Und dürre Blätter sinken leise.

Die Vögel zogen nach dem Süden,
Aus dem Verfall des Laubes tauchen
Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen,
Die Blätter fallen stets, die müden.

In dieses Waldes leisem Rauschen
Ist mir als hör' ich Kunde wehen,
daß alles Sterben und Vergehen
Nur heimlich still vergnügtes Tauschen.

Friedrich Hebbel (1813-1863)
Herbstbild

Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
die schönsten Früchte ab von jedem Baum.

O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält;
denn heute löst sich von den Zweigen nur,
was vor dem milden Strahl der Sonne fällt.

*aus: Gedichte für einen Herbsttag "dtv"
Hrsg.: Gudrun Bull

Eduard Mörike (1804-1875)
Septembermorgen

Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen.

Quelle: handmann.phantasus.de

Joachim Ringelnatz (1883-1934)
Herbst

Der Herbst schert hurtig Berg und Tal
Mit kalter Schere ratzekahl.
Der Vogel reist nach warmer Ferne;
Wir alle folgtem ihm so gerne.

Das Laub ist gelb und welk geworden,
Grün blieb nur Fichte noch und Tann'.
Huhu! Schon meldet sich im Norden
Der Winter mit dem Weihnachtsmann.
 

Heinrich Leuthold (1827-1879)
Blätterfall

Leise, windverwehte Lieder, 
mögt ihr fallen in den Sand! 
Blätter seid ihr eines Baumes, 
welcher nie in Blüte stand.

Welke, windverwehte Blätter, 
Boten, naher Winterruh, 
fallet sacht! Ihr deckt die Gräber 
mancher toten Hoffnung zu.

Stefan Zweig (1881-1942)
Graues Land

Wolken in dämmernder Röte
droh'n über dem einsamen Feld.
Wie ein Mann mit trauriger Flöte
geht der Herbst durch die Welt.

Du kannst seine Nähe nicht fassen,
nicht lauschen der Melodie.
Und doch: in dem fahlen Verblassen
der Felder fühlst du sie.

Wilhelm Busch (1832-1908)
Herbst

Ade, ihr Sommertage,
Wie seid ihr so schnell enteilt,
Gar mancherlei Lust und Plage
Habt ihr uns zugeteilt.

Wohl war es ein Entzücken,
Zu wandeln im Sonnenschein.
Nur die verflixten Mücken
Mischten sich immer darein.

Und wenn wir auf Waldeswegen
Dem Sange der Vögel gelauscht,
Dann kam natürlich ein Regen
Auf uns herniedergerauscht.

Die lustigen Sänger haben
Nach Süden sich aufgemacht,
Bei Tage krächzen die Raben,
Die Käuze schreien bei Nacht.

Was ist das für Gesause!
Es stürmt bereits und schneit.
Da bleiben wir zwei zu Hause
In trauter Verborgenheit.

Kein Wetter kann uns verdrießen.
Mein Liebchen, ich und du,
Wir halten uns warm und schließen
Hübsch feste die Türen zu.

Erntedank-Dekoration mit Getreide Obst Gemüse
Foto: Petra Hegewald / pixelio.de

Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Herbst

Die Blätter fallen, fallen wie von weit, 
als welkten in den Himmeln ferne Gärten; 
sie fallen mit verneinender Gebärde. 

Und in den Nächten fällt die schwere Erde 
aus allen Sternen in die Einsamkeit. 

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. 
Und sieh dir andre an: es ist in allen. 

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen 
unendlich sanft in seinen Händen hält. 

Emanuel Geibel (1815-1884)
Herbstlich sonnige Tage

Herbstlich sonnige Tage,
mir beschieden zur Lust,
euch mit leiserem Schlage
grüßt die atmende Brust

O wie waltet die Stunde
nun in seliger Ruh’! 
Jede schmerzende Wunde
schließet leise sich zu.

Nur zu rasten, zu lieben,
still an sich selber zu bau’n,
fühlt sich die Seele getrieben
und mit Liebe zu schau’n.

Jedem leisen Verfärben
lausch ich mit stillem Bemüh’n,
jedem Wachsen und Sterben,
jedem Welken und Blüh’n.

Was da webet im Ringe,
was da blüht auf der Flur,
Sinnbild ewiger Dinge
ist’s dem Schauenden nur.

Jede sprossende Pflanze,
die mit Düften sich füllt,
trägt im Kelche das ganze
Weltgeheimnis verhüllt.

Franz Josef Zlatnik (1871-1933)
Frühherbst

Noch grünt das Laub, noch leuchtet Himmelsbläue, 
Du sehnend Herz, ein Weilchen noch dich freue! 
Manch Blümchen steht noch auf der Wiese, 
Erzählt vom Sommerparadiese ... 
Doch feucht und kühl ein flüsternd Lüftchen weht: 
 »Das Grün verblaßt, das letzte Blühn vergeht!«

Der Wald umfängt mich noch mit trauter Schöne –  
Doch hier und dort – schon bunte Farbentöne! 
Ich will mich freun des Sonnenglanzes, 
Und denk' – des Jugendblütenkranzes! – 
Ich sehe fallen da und dort ein Blatt, 
Herab zur kühlen, feuchten Ruhestatt ...

Emerenz Meier (1874-1928)
Herbst

Im Herbstwind rauscht der Wald, die Zweige beben
Vor seinem Hauch, der frisch von Norden zieht.
Die Vöglein all die Stimmen sanft erheben
Zum letztenmal, zum trüben Abschiedslied.

Vom Baume fällt das bunte Laub und flüstert
Vom Sterben und von unbarmherz'ger Zeit.
Auf Busch und Moos der Abendschatten düstert
Und überm Hang macht sich der Nebel breit.

Zu Tal in raschem Laufe eilt die Quelle.
Ja eile nur, bald hemmt der kalte Frost
Dich Felsenkind; zu Eis erstarrt die Welle
Und stille wird's, wo sonst du froh getost.

Geh heim, du müder Pilger dort am Raine,
Eh's Winter wird. Zieht dich die Sehnsucht nicht
An warme Herzen? - Oder weißt du keine
Die auf dich warten in des Herbstes Licht?

Heinrich Seidel (1842-1906)
November

Solchen Monat muss man loben:
Keiner kann wie dieser toben,
Keiner so verdrießlich sein
Und so ohne Sonnenschein!
Keiner so in Wolken maulen,
Keiner so mit Sturrmwind graulen!
Und wie naß er alles macht!
Ja, es ist die wahre Pracht.

Seht das schöne Schlackerwetter!
Und die armen welken Blätter,
Wie sie tanzen in dem Wind
Und so ganz verloren sind!
Wie der Sturm sie jagt und zwirbelt
Und sie durcheinander wirbelt
Und sie hetzt ohn' Unterlaß:
Ja, das ist Novemberspaß!

Und die Scheiben, wie sie rinnen!
Und die Wolken, wie sie spinnen
Ihren feuchten Himmelstau
Ur und ewig, trüb und grau!
Auf dem Dach die Regentropfen:
Wie sie pochen, wie sie klopfen!
Und an jeder Traufe hängt
Trän' an Träne dicht gedrängt.

O, wie ist der Mann zu loben,
Der solch unvernünft'ges Toben
Schon im voraus hat bedacht
Und die Häuser hohl gemacht!
So daß wir im Trocknen hausen
Und mit stillvergnügtem Grausen
Und in wohlgeborgner Ruh
Solchem Greuel schauen zu!

Detlev von Liliencron (1844-1909)
Herbst

Astern blühen schon im Garten,
Schwächer trifft der Sonnenpfeil. 
Blumen, die den Tod erwarten 
Durch des Frostes Henkerbeil.

Brauner dunkelt längst die Heide, 
Blätter zittern durch die Luft. 
Und es liegen Wald und Weide 
Unbewegt in blauem Duft.

Pfirsich an der Gartenmauer,
Kranich auf der Winterflucht. 
Herbstes Freuden, Herbstes Trauer, 
Welke Rosen, reife Frucht.

Quelle: http://gedichte.levrai.de/herbstgedichte.htm

Welkes Blatt auf Holzzaun
Foto: angieconscious / pixelio.de

Johannes Trojan 1837-1915
Herbst

Rot wird das Laub am wilden Wein;
die Luft geht schon so herbstlich kühl.
Das Eichhorn sagt: „Jetzt fahr ich ein;
schon lose sitzt die Nuss am Stiel.“

Dem Sperling geht's nicht schlecht; er speist 
den ganzen Tag, bald hier, bald dort. .
Er sagt: "Die Schwalb' ist schon verreist,
gut, dass sie fort! Gut, dass sie fort!"

Im Garten um den Rosenstrauch,
da klingt ganz anders das Gered'!
Ein Blümlein spricht: "Merkt ihr's nicht auch? 
Es wird so trüb, so still und öd?

Das Bienchen flog doch sonst so flink
bei uns umher - wo ist es nun? 
Weiß eines was vom Schmetterling?
Der hatt' sonst hier so viel zu tun."

Ein zweites sagt: "Eh man's gedacht, 
kommt schon die Nacht und weilt so lang.
Wie lieblich war doch einst die Nacht!
Nun ist sie gar unheimlich bang.

Wie muss man warten morgens früh, 
bis dass die Sonn' guckt übern Zaun! 
Ach, und ganz anders wärmte sie,
als sie noch gern uns mochte schaun!"

Ein drittes drauf: "Mir sinkt der Mut;
der Morgentau, der ist so kalt!" 
Die Spinne sagt: "Es wird noch gut!"
Ach, wenn's nur würd'! Und würd's doch bald!

Nur einmal noch so, wie es war,
nur ein paar sonn'ge Tage noch!
's wird nicht mehr viel - ich seh es klar;
und leben, leben möcht' man doch!

Justinus Kerner
Wanderlied

Wohlauf! noch getrunken den funkelnden Wein! 
Ade nun, ihr Lieben! geschieden muß sein. 
Ade nun, ihr Berge, du väterlich' Haus! 
Es treibt in die Ferne mich mächtig hinaus.

Die Sonne, sie bleibet am Himmel nicht stehn, 
Es treibt sie, durch Länder und Meere zu gehn. 
Die Woge nicht haftet am einsamen Strand, 
Die Stürme, sie brausen mit Macht durch das Land.

Mit eilenden Wolken der Vogel dort zieht 
Und singt in der Ferne ein heimatlich' Lied, 
So treibt es den Burschen durch Wälder und Feld, 
Zu gleich der Mutter, der wandernden Welt.

Da grüßen ihn Vögel bekannt überm Meer, 
Sie flogen von Fluren der Heimat hierher; 
Da duften die Blumen vertraulich um ihn, 
Sie trieben vom Lande die Lüfte dahin.

Die Vögel, die kennen sein väterlich' Haus, 
Die Blumen, die pflanzt er der Liebe zum Strauß, 
Und Liebe, die folgt ihm, sie geht ihm zur Hand: 
So wird ihm zur Heimt das ferneste Land.

Herbert von Hoerner (1884-1946)
Erntedank

Sind vom Feld die letzten Garben,
Heimgeborgen Korn und Stroh,
Eh die bunten Blumen starben,
Mal uns du mit tausend Farben,
Herbst, die Welt noch einmal froh. 

Braun die Birne, gelb die Quitte,
Und den Apfel mal uns rot!
Und in all der Farben Mitte
Mal als goldnen Spruch die Bitte:
Gib uns unser täglich Brot.

Georg Trakl (1887-1914)
Verklärter Herbst

Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.

Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluß hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht -
Das geht in Ruh und Schweigen unter.

Theodor Fontane (1819-1898)
O trübe diese Tage nicht

O trübe diese Tage nicht,
Sie sind der letzte Sonnenschein,
Wie lange, und es lischt das Licht
Und unser Winter bricht herein.

Dies ist die Zeit, wo jeder Tag
Viel Tage gilt in seinem Wert,
Weil man's nicht mehr erhoffen mag,
Dass so die Stunde wiederkehrt.

Die Flut des Lebens ist dahin,
Es ebbt in seinem Stolz und Reiz,
Und sieh, es schleicht in unsern Sinn
Ein banger, nie gekannter Geiz;

Ein süßer Geiz, der Stunden zählt
Und jede prüft auf ihren Glanz –
O sorge, dass uns keine fehlt,
Und gönn' uns jede Stunde ganz.

Oskar Loerke (1884-1941)
Leise Herbsttage

Die silberne Allee der Weiden
Dreht sich schon tagelang im Wind nach Ost.
Die Blumen rollen ihre Seiden,
Im Sonnenscheine zittert fern ein Frost.

Die Seele fährt auf leisen Achsen,
Und alles, was ein großes Glück heißt, stört,
Denn unsichtbare Wurzeln wachsen
Zu größer'm Glücke, heiß und unerhört.

Und über allem, was man vornimmt,
Liegt ein Verschweigen wartender Geduld,
Und hinter alles, was ins Ohr klingt,
Lauschst du auf eine unverhoffte Huld.

Theodor Storm (1817-1888)
Oktoberlied

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!

Und geht es draußen noch so toll,
Unchristlich oder christlich,
Ist doch die Welt, die schöne Welt,
So gänzlich unverwüstlich!

Und wimmert auch einmal das Herz -
Stoß an und laß es klingen!
Wir wissen's doch, ein rechtes Herz
Ist gar nicht umzubringen.

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!

Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
Doch warte nur ein Weilchen!
Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
Es steht die Welt in Veilchen.

Die blauen Tage brechen an,
Und ehe sie verfließen,
Wir wollen sie, mein wackrer Freund,
Genießen, ja genießen!

Heinrich Heine (1797-1856)
Spätherbstnebel, kalte Träume

Spätherbstnebel, kalte Träume,
Überfloren Berg und Tal,
Sturm entblättert schon die Bäume,
Und sie schaun gespenstisch kahl.

Nur ein einz'ger, traurig schweigsam
Einz'ger Baum steht unentlaubt,
Feucht von Wehmutstränen gleichsam,
Schüttelt er sein grünes Haupt.

Ach, mein Herz gleicht dieser Wildnis,
Und der Baum, den ich dort schau
Sommergrün, das ist dein Bildnis,
Vielgeliebte, schöne Frau!

Friedrich Hebbel (1813-1863)
Spaziergang am Herbstabend

Wenn ich abends einsam gehe
Und die Blätter fallen sehe,
Finsternisse niederwallen,
Ferne, fromme Glocken hallen:

Ach, wie viele sanfte Bilder,
Immer inniger und milder,
Schatten längst vergangner Zeiten,
Seh ich dann vorübergleiten.

Was ich in den fernsten Stunden,
Oft nur halb bewusst, empfunden,
Dämmert auf in Seel' und Sinnen,
Mich noch einmal zu umspinnen.

Und im inneren Zerfließen
Mein ich's wieder zu genießen,
Was mich vormals glücklich machte,
Oder mir Vergessen brachte.

Doch, dann frag ich mich mit Beben:
Ist so ganz verarmt dein Leben?
Was du jetzt ersehnst mit Schmerzen,
Sprich, was war es einst dem Herzen?

Völlig dunkel ist's geworden,
Schärfer bläst der Wind aus Norden,
Und dies Blatt, dies kalt benetzte,
Ist vielleicht vom Baum das letzte.

Charlotte von Ahlefeld (1781-1849)
Vergänglichkeit

Vergänglich ist das festeste im Leben
Was trauerst du, dass Liebe auch vergeht?
Lass sie dahin in's Reich der Zeiten schweben,
Leicht, wie des Lenzes Blütenhauch verweht.

Doch halte fest ihr Schattenbild im Herzen,
Und segne dennoch freudig Dein Geschick,
Schließt auch sich eine Reihe bittrer Schmerzen
An deines Glückes kurzen Augenblick.

Du hast gelebt, denn Liebe nur ist Leben!
Sie nur allein webt um den dunklen Traum,
Dem wir den Nahmen unsers Daseins geben,
Der höchsten Wonne glanzerfüllten Saum.

So zürne nicht des Schicksals finstern Mächten,
Wenn sie des Lebens Sonne dir entziehn.
Nicht ewig lässt sie sich in unsre Bahn verflechten,
Ach, sei zufrieden, dass sie einst dir schien.

Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)
Lass rauschen, immer rauschen

Nun wird so braun und falbe
Das schöne Sommerlaub;
Schon rauscht es von den Bäumen
Und ist der Winde Raub.

Bald fällt durch kahle Reiser
Der kalte Schnee herab;
Der Wald ist öd' und traurig,
Die Erde wie ein Grab.

Schon sind mit dürrem Laube
Die Pfad' im Wald bestreut,
Als sollten wir nicht wandeln,
Wo wir uns jüngst gefreut.

Lass rauschen, immer rauschen!
Die Hoffnung bleibt besteh'n,
Die Hoffnung auf den Frühling,
Die kann kein Wind verweh'n.

Otto Baisch (1840-1892)
Herbst

Da hört man singen spät und frühe
Von Herbstesleid,
Als ob nicht Glücks genug erblühe
Zu jeder Zeit.

Wenn ausgeträumt des Frühlings Träume,
Der Sommer tot,
Wie kleiden lustig sich die Bäume
In Gelb und Rot!

Erstarb der süße Duft der Rose,
Der Lilie Pracht,
Wie sprosst die kecke Herbstzeitlose
Dann über Nacht!

Und wenn die zarten Sommerroben
Verblichen sind,
Wie geht sich's hübsch, den Kopf erhoben,
Im Frühherbstwind!

Wie tändelt er durch Haar und Schleier
So neckisch hin;
Wie fühlt man da sich frischer, freier
In Herz und Sinn!

So klar die Welt, wohin ich sehe,
Die Brust so weit!
O, singt mir nicht mit Ach und Wehe
Von Herbstesleid!

Max Dauthendey (1867-1918)
Tage, wie Blätter still

Oft halten sich Tage wie Blätter still,
Der Himmel regnen nur regnen will.
Als wären die Häuser ganz menschenleer,
Es gehen die Menschen wie Schemen umher,
Und einem Verliebten trauern die Ohren,
Er horcht auf ein Lied hinterm Regen verloren.

Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)
Regen in der Dämmerung

Der wandernde Wind auf den Wegen
War angefüllt mit süßem Laut,
Der dämmernde rieselnde Regen
War mit Verlangen feucht betaut.

Das rinnende rauschende Wasser
Berauschte verwirrend die Stimmen
Der Träume, die blasser und blasser
Im schwebenden Nebel verschwimmen.

Der Wind in den wehenden Weiden,
Am Wasser der wandernde Wind
Berauschte die sehnenden Leiden,
Die in der Dämmerung sind.

Der Weg im dämmernden Wehen,
Er führte zu keinem Ziel,
Doch war er gut zu gehen
Im Regen, der rieselnd fiel.

Nikolaus Lenau (1802-1850)
Welke Rose

In einem Buche blätternd, fand
ich eine Rose welk, zerdrückt,
und weiß auch nicht mehr, wessen Hand
sie einst für mich gepflückt.

Ach, mehr und mehr im Abendhauch
verweht Erinn`rung; bald zerstiebt
mein Erdenlos, dann weiß ich auch
nicht mehr, wer mich geliebt.

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